Anonyme Anzeige als Grundlage für Durchsuchungsbeschlüsse – Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth

Am 14. Februar 2024 entschied das Landgericht Nürnberg-Fürth (Az. 18 Qs 49/23) in einem wichtigen Fall, bei dem eine anonyme Anzeige den Tatverdacht gegen eine Apothekerin und ihre Kundin wegen Betrugs begründete. Der Fall veranschaulicht, welche Rolle anonyme Hinweise im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen spielen können und welche Anforderungen an deren Qualität gestellt werden.

Dem Fall lag eine über das anonyme Hinweisgebersystem der Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG)  erfolgte anonyme Anzeige zugrunde. Das Urteil zeigt auch auf, wie wichtig es ist, dass eine interne Meldestelle befugt sein sollte, anonyme Hinweise entgegenzunehmen und zu bearbeiten.

Im Mittelpunkt des Verfahrens steht eine Apothekerin, die beschuldigt wird, in großem Umfang Rezepte für Medikamente quittiert zu haben, die sie ihren Kunden tatsächlich nicht ausgehändigt hat. Diese Kunden, meist Privatpatienten, sollen die Rezepte bei ihren Krankenversicherungen eingereicht und sich die Kosten erstatten lassen haben, obwohl keine Medikamente ausgegeben wurden. Eine derartige Praxis wurde durch eine anonyme Anzeige aufgedeckt, die über ein Hinweisgebersystem einging.

Der anonyme Hinweisgeber gab detaillierte Informationen zum Vorgehen der Apothekerin und benannte sogar konkrete Fälle, in denen Patienten Rezepte eingereicht haben sollen, ohne die entsprechenden Medikamente erhalten zu haben. Die Anzeige enthielt zudem einen Verweis auf das Warenwirtschaftssystem der Apotheke, in dem angeblich Quittungen für nicht abgegebene Medikamente gelöscht wurden.

Bedeutung der Anonymität und Qualität des Hinweises 

Das Gericht stellte klar, dass eine anonyme Anzeige als Grundlage für eine Zwangsmaßnahme wie eine Durchsuchung ausreichen kann, wenn die Anzeige von „beträchtlicher sachlicher Qualität“ ist und schlüssige Tatsachen vorlegt. In diesem Fall ermöglichte der anonyme Hinweis den Ermittlungsbehörden, gezielt nachzufragen und weitere Nachweise zu sichern. Dies führte letztlich zur Durchsuchung der Apothekenräume sowie der Privatwohnungen der Beschuldigten.

Rechtsrahmen und Anforderungen 

Das Gericht betonte, dass anonyme Anzeigen in Strafverfahren ein wichtiger Ermittlungsansatz sein können, besonders wenn sie so detailliert sind wie im vorliegenden Fall. Ein genereller Ausschluss anonymer Anzeigen widerspräche dem zentralen Anliegen des Strafverfahrens, die materielle Wahrheit zu ermitteln.

Bei der Entscheidung, ob eine Durchsuchung auf Basis einer anonymen Anzeige gerechtfertigt ist, müssen jedoch strenge Maßstäbe angelegt werden. Es reicht nicht, dass lediglich vage Vermutungen vorliegen. Stattdessen müssen konkrete Verdachtsmomente gegeben sein, die über bloße Mutmaßungen hinausgehen.

Die Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth verdeutlicht, dass anonyme Anzeigen, insbesondere solche von hoher inhaltlicher Qualität, eine tragfähige Grundlage für Durchsuchungsbeschlüsse und Ermittlungen sein können. Diese Hinweise sind oft entscheidend, um Missstände aufzudecken, die ohne den Schutz der Anonymität möglicherweise nie ans Licht gekommen wären.

Für Unternehmen und Behörden, die unter das Hinweisgeberschutzgesetz fallen, bedeutet dies, dass anonyme Meldesysteme nicht nur ein rechtliches Muss, sondern auch ein effektives Mittel sein können, um interne und externe Verstöße aufzudecken.

Bedeutung der Entscheidung für Arbeitgeber bei anonymen Hinweisen aus der Belegschaft

Die Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14. Februar 2024 hat weitreichende Implikationen für Arbeitgeber, insbesondere im Kontext des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG). Das Urteil verdeutlicht, dass anonyme Anzeigen, selbst wenn sie aus der eigenen Belegschaft kommen, als Grundlage für schwerwiegende Ermittlungen dienen können – etwa für Durchsuchungen oder andere Zwangsmaßnahmen.

Was bedeutet das für Arbeitgeber? 

1. Erhöhte Sorgfaltspflicht: Arbeitgeber müssen sich bewusst sein, dass anonyme Meldungen, die auf Missstände oder Rechtsverstöße im Unternehmen hinweisen, ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen können. Wie im Fall des Apothekers, wo eine anonyme Anzeige zur Durchsuchung und Beschlagnahmung führte, können solche Hinweise der Auslöser für weitreichende strafrechtliche Ermittlungen sein. Es reicht aus, wenn der anonyme Hinweis konkrete, sachliche Informationen enthält, die über bloße Vermutungen hinausgehen.

2. Sicherstellung funktionierender Meldesysteme: Das Hinweisgeberschutzgesetz verpflichtet Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern, interne Meldestellen einzurichten, bei denen Hinweise auf Missstände sicher und vertraulich abgegeben werden können. Auch wenn das Gesetz keine Pflicht zur Anonymität vorsieht (§ 16 Abs. 1 S. 4 HinSchG), empfiehlt es sich für Unternehmen, anonyme Meldekanäle anzubieten. Das Urteil zeigt, dass anonym eingehende Hinweise ernst genommen werden und eine substanzielle Grundlage für Ermittlungen bieten können.

3. Präventive Maßnahmen und interne Kontrolle: Unternehmen sollten Maßnahmen ergreifen, um potenzielle Verstöße frühzeitig zu erkennen und zu beheben, bevor es zu einer Anzeige durch Mitarbeiter oder Dritte kommt. Ein funktionierendes Compliance-System sowie regelmäßige Schulungen der Mitarbeiter können dazu beitragen, Rechtsverstöße zu verhindern. Arbeitgeber sollten zudem eine offene Unternehmenskultur fördern, in der Mitarbeiter sich sicher fühlen, Missstände zu melden, ohne Angst vor negativen Konsequenzen zu haben.

4. Vorbereitung auf externe Meldungen: Das Urteil zeigt, dass auch externe Meldungen – etwa an staatliche Stellen oder über öffentlich zugängliche Hinweisgeberportale – in schwerwiegenden Ermittlungen münden können. Unternehmen sollten daher sicherstellen, dass interne Meldekanäle effektiv sind und als erste Anlaufstelle für Hinweisgeber wahrgenommen werden. Wegen der möglichen Tragweite einer anonymen Anzeige empfiehlt es sich, dass die interne Meldestelle mit einer anwaltlichen Ombutsperson besetzt wird.  Dies kann verhindern, dass Mitarbeiter externe Kanäle nutzen und das Unternehmen unvorbereitet mit Ermittlungen konfrontiert wird.

5. Risikomanagement im Umgang mit anonymen Hinweisen: Arbeitgeber sollten sicherstellen, dass anonyme Hinweise gründlich und sorgfältig untersucht werden. Es besteht die Gefahr, dass ein anonymer Hinweis aus der Belegschaft falsche Informationen enthält, was zu unnötigen Belastungen führen kann. Dennoch zeigt das Urteil, dass Unternehmen gut beraten sind, jeden anonymen Hinweis ernst zu nehmen, um potenzielle Rechtsverstöße zeitnah zu identifizieren und zu beheben.

Fazit: Anonyme Hinweise und der Schutz des Unternehmens

Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth unterstreicht, dass Unternehmen die Möglichkeit anonymer Anzeigen durch Mitarbeiter nicht unterschätzen sollten. Insbesondere im Hinblick auf das Hinweisgeberschutzgesetz müssen Arbeitgeber sicherstellen, dass interne Meldewege zuverlässig funktionieren und potenzielle Verstöße frühzeitig bearbeitet werden. Eine solche proaktive Herangehensweise kann helfen, das Risiko umfangreicher Ermittlungen und die damit verbundenen rechtlichen und finanziellen Konsequenzen zu minimieren.

Neue Zoll-Strategie gegen Organisierte Kriminalität, Geldwäsche und Schwarzarbeit

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) kündigte am 03.05.2023 eine neue Strategie der Zollbehörden zur Bekämpfung von Organisierter Kriminalität (OK) und Geldwäsche an. Unter anderem sollen sowohl ein “OK-Bekämpfungszentrum” als auch mehrere regionale Ermittlungszentren errichtet werden.   

Finanzminister Christian Lindner (FDP) verkündete, dass der Zoll eine neue Strategie brauche, um vor allem “international agierende Täterstrukturen” aufzudecken und zu strafrechtlicher Verantwortung zu ziehen. Der Fokus liege dabei insbesondere auf der Einziehung von illegalen Vermögenswerten. Eine zentrale Maßnahme der Neustrukturierung soll das Errichten von regionalen Ermittlungszentren des Zollfahndungsdienstes sowie der Finanzkontrolle Schwarzarbeit sein. Auch ein Innovationszentrum für die technische Unterstützung der Zolleinheiten sei geplant. Dadurch, dass die Ermittlungszentren die Arbeit im Bereich der Organisierten Kriminalität und der Schwarzarbeit im großen Stil übernehmen, sollen die Zollfahndungsdienste entlastet werden, um sich vermehrt „der Bearbeitung von Basisermittlungen” annehmen zu können. Des Weiteren verfolge die neue Struktur innerhalb der Zollbehörde das Ziel, eine “übergeordnete Betrachtung der Prozesse” zu ermöglichen, betonte Dr. Tino Igelmann, Leiter des Zollkriminalamtes und ehemaliger Direktionspräsident für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Durch das Bündeln aller relevanten Informationen und der nötigen Einsatzkräfte an mehreren regionalen und einem zentralen Ermittlungszentrum solle auch die Zusammenarbeit mit weiteren deutschen und internationalen Behörden erleichtert werden.  

Deutlich wird, dass das politische Bestreben, Organisierte Kriminalität, Geldwäsche sowie Schwarzarbeit zu bekämpfen und insbesondere die dadurch generierten Vermögenswerte einzuziehen, nun durch konkrete Maßnahmen umgesetzt werden soll. Die aktuellen acht OK-Zollfahndungsämter und 41 Hauptzollämter für Schwarzarbeit sollen dafür nicht nur umstrukturiert, sondern auch technisch besser ausgerüstet werden. Aktuell arbeiten laut Lindner 50 Mitarbeitende BMF an dem dafür notwendigen Gesetzgebungsverfahren, dessen formaler Prozess im Jahr 2024 abgeschlossen werde.  

 

Für die Transkription der Pressekonferenz klicken Sie hier  

 

Dr. Fabian Meinecke, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Steuerrecht, ist Gründungspartner der Kanzlei Olfen Meinecke Völger Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB 

Lotta Ann Olfen ist studentische Hilfskraft der Kanzlei Olfen Meinecke Völger

 

Finanzminister Scholz kauft Steuerdaten aus Dubai – Ist die Selbstanzeige noch möglich?

Bundesfinanzminister kauft CD mit Steuerdaten aus Dubai Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat für etwa zwei Millionen Euro eine CD gekauft, auf welcher sich steuerlich relevante Daten aus dem Emirat Dubai befinden sollen. Das Emirat lockt deutsche Staatsbürger mit Steuervorteilen und bietet attraktive Konditionen für jeden der Wege sucht, Steuern zu sparen. Auf der angekauften CD sollen […]

Auswirkungen der Reform des Geldwäsche-Tatbestandes

Wir haben uns mit der Reform der Geldwäsche-Strafbarkeit auseinandergesetzt und geben eine Einschätzung zu den Regelungen aus anwaltlicher Sicht.

Indem Geldwäsche den Schnittpunkt von illegalen Erlösen aus Straftaten und dem legalen Finanzkreislauf darstellt, gefährdet sie die Finanzbranche, den europäischen Binnenmarkt und die innere Sicherheit der Bundesrepublik und der Europäischen Union.

Mit dem Ziel einer effektiveren Verfolgung und Ahndung von Geldwäsche hat der Bundestag im Februar 2021 die Reform des Geldwäsche-Tatbestandes beschlossen. Mit dem neuen Gesetz wird zum einen die EU-Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche umgesetzt und zum anderen dem Reformwunsch auf Seiten nationaler Rechtsanwender nachgekommen.

Der nähere Blick auf einige der Neureglungen der Reform und auf die zu erwartenden Auswirkungen auf die Praxis lässt einen weiteren Anstieg des Bedarfs an Geldwäsche-Compliance und den abzugebenden Verdachtsmeldungen erwarten.

Was ist neu? Der „All-Crimes“ Ansatz

Zentral bei der Reform ist der Verzicht auf den selektiven Vortatenkatalog.

Bisher war die Verfolgung nach § 261 StGB nur unter der Voraussetzung möglich, dass zuvor eine Straftat begangen wurde, die in dem Vortatenkatalog normiert war. Umfasst waren davon unter anderem Raub, gewerbsmäßiger Handel mit Betäubungsmitteln, Hehlerei und Bestechung. Stammte das Geld aus einer Straftat, die nicht in dem Katalog genannt war, konnte nicht wegen Geldwäsche verfolgt werden.

Mit dem nun eingeführten „all-crimes“ Ansatz soll das Verschleiern von kriminellen Profiten künftig grundsätzlich strafbar sein – unabhängig davon, durch welche Straftat sie erworben wurden.

Durch Aufnahme sämtlicher Straftaten in den Kreis der Vortaten verspricht sich der Gesetzgeber eine Erleichterung der Beweisführung. Es reicht künftig, wenn nachgewiesen werden kann, dass das Tatobjekt aus einer Straftat stammt. Nachforschungen, ob es sich dabei um eine Tat aus dem Vortatenkatalog handelt, können nun unterbleiben.

Die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft befürwortet die Tatbestandserweiterung, mit dem Argument, dass dem Einschleusen von illegal erwirtschaftetem Kapital in den legalen Wirtschaftskreislauf ein von der Vortat unabhängiges Verletzungspotential anhaftet, sodass die Art der illegalen Herkunft keine Rolle spielen kann. Die bisherige Einengung der Geldwäschestrafbarkeit ging an der Lebenswirklichkeit vorbei, betont die Gewerkschaft.

Die Ausweitung des Strafverteidigerprivilegs

Die Einführung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB-E normiert das sog. Strafverteidigerprivileg und setzt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts um. Danach führt die Honorarannahme, ohne sicheres Wissen, dass dieses aus einer Vortat stammt, in den Fällen des § 261 Abs. 1 Satz1 Nr. 3 und 4 StGB – E zu Straflosigkeit des Strafverteidigers.

Allerdings hätte die Reform auch genutzt werden können, um Rechtsanwälte einzubeziehen, die nicht als Strafverteidiger tätig sind. Es sind nämlich durchaus Fallkonstellationen vorstellbar, in denen ein zivilrechtliches Mandat in einem untrennbaren sachlichen Zusammenhang mit einem geldwäscherelevanten Sachverhalt steht. Für Rechtsanwälte, die in solchen Verfahren tätig sind, besteht faktisch das gleiche berufstypische Risiko, den Tatbestand der Geldwäsche zu erfüllen, wie für Strafverteidiger.

Die Privilegierung ausschließlich für Strafverteidiger erscheint daher nicht sachgerecht.

Wegfall der Regel zu ersparten Aufwendungen

Bisher regelte § 261 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 StGB, dass in Fällen der gewerbsmäßigen oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung nach § 370 AO, auch ersparte Aufwendungen als Tatobjekte angenommen werden.

Die Einbeziehung ersparter Aufwendungen im Kontext von Steuerdelikten hat sich bisher weder als sachgerecht noch als praktikabel erwiesen und wird daher künftig entfallen. Unrechtmäßig erlangte Steuererstattungen und -vergütungen sind bereits ohne die Klarstellung Tatobjekte der Geldwäsche. Ihre Nennung im bisherigen § 261 Absatz 1 Satz 3 StGB ist daher nur deklaratorisch und kann entfallen.

Die Qualifikation für Verpflichtete nach § 2 GwG

In § 261 Abs. 4 StGB – E wird eine Qualifikation geschaffen, die für Geldwäschestraftaten von Verpflichteten nach § 2 GwG eine verschärfte Strafandrohung – Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren – vorsieht. Dies soll jedoch nur dann gelten, wenn der Täter als in Ausübung seines Gewerbes oder Berufes handelt, der ihn zum Verpflichteten macht.

Der Qualifikation liegt der Gedanke zugrunde, dass der Täter, der zur Abwehr einer bestimmten Gefahr berufen ist und einen tatbestandlichen Erfolg aktiv herbeiführt, ein schwerwiegendes Unrecht begeht. Allerdings nimmt der Gesetzgeber den Verpflichteten nach § 2 GwG hier in besonderer Form in die Pflicht, um an der Verhinderung von Geldwäsche mitzuwirken. Grund dafür ist, dass der Verpflichtete, z.B. ein Treuhänder, Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer, aufgrund seiner Tätigkeit wirksam Geldwäsche verhindern kann und seine Dienstleistungen missbraucht zu werden drohen. Künftig wird er jedoch nicht nur mit der Mitwirkung an der Verhinderung von Geldwäsche belastet, sondern ihm wird bei Nichterfüllung durch Unterlassen eine verschärfte Strafe angedroht.  Eine solche Strafschärfung ist nicht verhältnismäßig.

Es wäre daher angemessen, die Qualifikation auf Fälle der aktiven Begehung von Geldwäschehandlungen zu beschränken.

 

Die selbstständige Einziehung

Wesentliche Verbesserungen bei der Bekämpfung der Geldwäsche lassen sich nur durch effektive Möglichkeiten zur Vermögensabschöpfung erreichen. Dem Wirtschaftskreislauf werden dadurch Tatobjekte und Taterträge der Geldwäsche konsequent entzogen und der Vortäter in wirtschaftlicher Hinsicht isoliert. Die inkriminierten Vermögenswerte werden damit verkehrsunfähig gemacht.

Auch der Gesetzgeber sah die Notwendigkeit dahingehend tätig zu werden und änderte § 76a Abs. 4 StGB, die selbstständige Einziehung.

Zum einen sollen künftig Nutzungen, die aus einem aus einer Straftat stammenden Vermögensgegenstand gezogen werden, nach der geänderten Norm eingezogen werden.  Das betrifft z.B. Mieterlöse aus einem Wohnhaus, welches mit „gewaschenen“ Erlösen aus Drogengeschäften erworben wurde.

Des Weiteren beschränkt der Gesetzgeber mit der Änderung des § 76a Abs. 4 S.3 Nr. 1 lit. f) StGB den Bereich der Geldwäscheverfahren, die dieser Form der Einziehung unterliegen, auf solche mit Verbrechen und gewerbs- oder bandenmäßig begangenen Straftaten. Damit nimmt der Gesetzgeber von einer umfassenden Abschöpfung von Vermögenswerten mit illegaler Herkunft Abstand. Andernfalls würde durch den Wegfall des Vortatenkatalogs über den Umweg des § 261 StGB jede Straftat unter den Katalog des § 76 Abs. 4 S.3 StGB fallen und diesen empfindlich aushöhlen. Der Bunde deutscher Kriminalbeamter kritisiert die Änderung jedoch mit dem Argument, dass fortan zahlreiche bedeutsame Vortaten aus dem Anwendungsbereich des § 76a Abs. 4 StGB herausfallen (z.B. Vergehen der Terrorismusfinanzierung gem. § 89c StGB, Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gem. § 129a Abs. 5 StGB). Diese Taten werden im Regelfall weder gewerbsmäßig noch bandenmäßig begangen.

Vor diesem Hintergrund besteht für eine effektive Bekämpfung von Geldwäsche im Rahmen des § 76a a Abs. 4 StGB weiterer Handlungsbedarf auf Seiten des Gesetzgebers.

 

Die Beibehaltung der Leichtfertigkeitsstrafbarkeit

Neu ist die Leichtfertigkeitsstrafbarkeit nicht. Jedoch sah der ursprüngliche Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche bei leichter Unkenntnis der inkriminierten Herkunft nicht mehr vor. Der Wegfall sei notwendig, um eine nahezu uferlose Anwendungsbreite des Tatbestandes zu verhindern. Die Verfasser des Entwurfes argumentierten zudem damit, dass mit der Streichung des Vortatenkatalogs das Bedürfnis nach einer Beweiserleichterung weitgehend entfalle.

Letztendlich hält der Gesetzgeber doch weiterhin an der Strafbarkeit einer leichtfertigen Geldwäsche (§ 261 Abs. 6 StGB – E) fest.

Dafür spricht, dass die Leichtfertigkeitsstrafbarkeit gerade im Hinblick auf Fälle der organisierten Kriminalität sinnvoll erscheint, da die „Geldwäscher“ typischerweise von den Hintermännern über die Vortaten im Unklaren gelassen werden. Der Geldwäscher erklärt in einer potentiellen Einlassung dann, dass er keine Kenntnisse über die Herkunft der Vermögenswerte hatte und darauf vertraut hätte, dass sie rechtmäßig erworben wurden. Solche Einlassungen lassen sich nur schwer widerlegen.

Zwar entfallen die objektiven Beweisschwierigkeiten, dass es sich um eine geldwäschetaugliche Vortat handelt, zum Teil. Jedoch würden im Falle der Abschaffung der Leichtfertigkeitsstrafbarkeit neue Nachweisprobleme auf der subjektiven Tatseite, also dass der Geldwäscher bedingten Vorsatz bezüglich der Herkunft aus einer Straftat hat, folgen. Es käme zu erheblichen Strafbarkeitslücken.

Der Deutsche Richterbund betont, dass einer uferlosen Anwendungsbreite des § 261 StGB – E in geeigneten Fällen durch die Anwendung der §§ 153 f. StPO begegnet werden kann.

 

 Auswirkungen auf die Praxis

Der Gesetzgeber ist überzeugt, dass die Reform geeignet ist, Beweisschwierigkeiten zu beseitigen. Immerhin entfällt die Notwendigkeit des Nachweises, dass ein Vermögensvorteil aus dem selektiven Kreis bestimmter Vortaten stammt.

Ein Blick in unsere europäischen Nachbarländer zeigt da etwas anderes. Unter anderem in Frankreich, Norwegen, dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden wird bereits dem „all-crimes“ Ansatz gefolgt. Dort konnte bislang nicht gezeigt werden, dass dies die Strafverfolgung erleichtert hätte.

In der Praxis ist nämlich die größte Herausforderung, das konkrete Tatgeschehen festzustellen. Das Gericht muss vom Vorliegen einer Vortat überzeugt sein, also zu seiner sicheren Überzeugung feststellen, dass der zu waschende Gegenstand Tatertrag, Tatprodukt oder ein an dessen Stelle getretener anderer Vermögensgegenstand ist. Erst in einem zweiten Schritt ist es dann von Bedeutung, ob es sich bei der Vortat um eine Straftat aus dem Katalog handelt. Zu der Frage, wie eng oder weit der Kreis der Vortaten gezogen ist, kommt es also nur nach einer sorgfältigen Sachverhaltsaufklärung mit dem Ergebnis, dass eine Vortat überhaupt vorliegt. Die erhoffte Beweiserleichterung ist grundsätzlich vorstellbar, wird aber erst im zweiten Schritt spürbar werden. Die eigentliche Sachverhaltsaufklärung bleibt nach wie vor die eigentliche Herausforderung für die Ermittler und das Gericht.

 

Insgesamt wird eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche in Zukunft deutlich häufiger greifen als bisher. Der Deutsche Richterbund erwartet, dass die Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 261 StGB und die damit verbundene Ausweitung der Strafverfolgung im Bereich der Geldwäsche eine erheblich stärkere Belastung der Staatsanwaltschaften und Gerichte zur Folge hat. Ohne eine spürbare Verstärkung der personellen Ressourcen ist die materiell – rechtliche Strafbarkeitsausweitung des Gesetzes nicht zielführend.

 

Fazit

Ob mit der Neufassung des Geldwäschetatbestands die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche tatsächlich noch effektiver gestaltet werden konnte, wird sich wohl erst in den nächsten Jahren zeigen, wenn auf entsprechende Erfahrungswerte zurückgegriffen werden kann.

Letztendlich scheint es sich bei der Reform jedenfalls in Teilen auch symbolischen Akt zu handeln, mit dem der Gesetzgeber durch Erweiterungen des Strafbarkeit zeigen will,  dass er den Kampf gegen das organisierte Verbrechen aufnimmt. Die erhoffte flächendeckende Wirkung der Neuregelung ist ohne Aufstockung der Ressourcen allerdings sehr fraglich.

Die erhebliche Pflichtenerweiterungen der Vergangenheit etwa für Notare und Güterhändler, um nur zwei Gruppen von Verpflichteten zu nennen, hat auf der einen Seite den Bedarf an Geldwäsche-Compliance zur Risiko-Bewältigung schon stark erhöht. Dem steht eine regelmäßig als überlastet wahrgenommene FIU gegenüber, die bei der Bearbeitung der rekordverdächtig vermehrten Verdachtsmeldungen bereits jetzt schon kaum hinterherkommt. Für Unternehmer steigt daher durch die Reform das individuelle Risiko weiter, im regulären Geschäftsablauf mit Fragen des Geldwäscherechts konfrontiert zu werden.

Höheres Strafmaß bei bandenmäßiger Steuerhinterziehung geplant – Reform des § 370 Abs. 3 S.2 Nr. 5 AO 

Der Gesetzgeber plant, das Strafmaß bei bandenmäßiger Steuerhinterziehung zu verschärfen. Ein erhöhtes Strafmaß soll danach auch in Bezug auf Körperschafts-, Gewerbe- und Einkommensteuer sowie Kapitalertragsteuer möglich sein. Das sieht der vom Bundesrat beschlossene Gesetzesentwurf zur Änderung des § 370 Abs. 3 S.2 Nr.5 der Abgabeordnung vor. Gleichzeitig wird die Möglichkeit der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) gemäß § 100a StPO erweitert.

Zum Hintergrund:

Die bisherige Fassung des § 370 Abs. 3 S.2 Nr.5 AO beschränkt ein erhöhtes Strafmaß aufgrund bandenmäßiger Tatbegehung auf die Verkürzung oder Hinterziehung von Umsatz- oder Verbrauchssteuern. Die aktuelle Rechtslage hat zur Folge, dass beispielsweise bandenmäßige Hinterziehung von Biersteuer eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren nach sich ziehen kann, während einen Täter einer bandenmäßigen Hinterziehung von Gewerbesteuer eine Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe erwartet. Eine nachvollziehbare Grundlage für diese unterschiedliche Bewertung der Sachverhalte fehlt dem Bundesrat zufolge. Zur besseren Nachverfolgbarkeit von Steuerhinterziehungen sollen den Ermittlungsbehörden über den Verweis in § 100a II Nr. 2a StPO auf § 370 III S.2 Nr. 5 AO zudem künftig für alle Fälle der bandenmäßigen Steuerhinterziehung die Ermittlungsmöglichkeit der Telefonüberwachung eröffnet werden.

Die offizielle Begründung: Nach Auffassung des Bundesrates bildet das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 S.2 Nr.5 AO den Unrechts- und Schuldgehalt organisierter Wirtschaftskriminalität nicht hinreichend ab, gerade weil die hochprofessionelle und konspirative Zusammenarbeit der Täter die Aufklärung der Taten erschwert.

Der wahre Hintergrund dürfte sein, dass die Justiz bei Cum-Ex-Sachverhalten, Steuerhinterziehungen durch organisierte Schwarzarbeit oder die Hinterziehung von Veranlagungsteuern durch Briefkastengesellschaften in Steueroasen bislang wenig Mittel hatte. Bei bandenmäßiger Begehung sollen derartige Taten nun künftig nach § 370 Abs. 3 S.2 Nr. 5 AO strenger geahndet werden können.

Konkret hebt der Gesetzesentwurf die Beschränkung des Regelbeispiels auf die Hinterziehung von Umsatz- und Verbrauchssteuern auf und erweitert es auf alle Steuerarten. Damit tritt, in Einklang mit der bisherigen Linie des Gesetzgebers, eine weitere Verschärfung bei der Steuerhinterziehung ein.

Änderung der Abgabeordnung im Wortlaut:

In § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 5 der Abgabeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2020 (BGBI. I S. 3866; 2003 I S. 61), die zuletzt durch … geändert worden ist, werden die Wörter „Umsatz- oder Verbrauchssteuern“ durch das Wort „Steuern“ und die Wörter „Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile“ durch das Wort „Steuervorteile“ ersetzt.

 Der Gesetzesentwurf wird nun vom Deutschen Bundestag behandelt.

Bundesregierung beschließt Gesetzentwurf zu verschärfter Verfolgung von Geldwäsche

Mit einer erheblich verschärften Gesetzgebung will die Bundesregierung künftig den Straftatbestand der Geldwäsche effektiver verfolgen. Gestern beschloss die Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV). Die Hauptneuerung: Jede Straftat kann nun als Vortat für eine Geldwäsche gewertet werden – auch Delikte wie Diebstahl, Unterschlagung, Betrug, Untreue und Erpressung, die bisher nur dann als Vortaten der Geldwäsche in Betracht kamen, wenn sie gewerbsmäßig oder durch Banden begangen wurden. Diese Verschärfung hat auch Auswirkungen auf die Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie innerhalb von Unternehmen.

Bislang war eine strafrechtliche Verfolgung von Geldwäsche – also der Einschleusung illegal erwirtschafteter Gelder in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf – nach § 261 Strafgesetzbuch (StGB) nur unter der Voraussetzung möglich, dass zuvor eine bestimmte Straftat begangen worden war. Diese waren aufgelistet im Vortatenkatalog der Strafnorm (Absatz 1). Dazu zählten: Raub, gewerbsmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln, Hehlerei, Bestechung, die Unterstützung terroristischer Vereinigungen oder schwere Steuerhinterziehung. „Durch den Verzicht auf den Vortatenkatalog wird künftig die Kriminalitätsbekämpfung in diesem Bereich deutlich effektiver. Das gilt insbesondere für den Bereich der organisierten Kriminalität, bei der Täter arbeitsteilig vorgehen und der Bezug zu bestimmten schweren Vortaten sich nicht immer feststellen lässt, so etwa bei der Rückverfolgung von verdächtigen Finanztransfers (sog. „follow the money“-Ansatz)“, teilte das Ministerium bei der Vorstellung des neuen Entwurfes mit.

Im Gesetzentwurf heißt es: „Seiner ursprünglichen Konzeption nach diente § 261 StGB der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, indem das Einschleusen von Vermögensgegenständen, die aus unerlaubten Drogengeschäften, aus Verbrechen oder aus von einem Mitglied einer kriminellen Vereinigung begangenen Vergehen stammen, in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf unter Strafe gestellt wurde (vergleiche Bundestagsdrucksache 12/989, S. 26 f.; Bundestagsdrucksache 12/3533, S. 10 f.). Dieses Ziel wurde in der Folge auf die Bekämpfung anderer schwerwiegender Kriminalität ausgeweitet, ohne dass im Einzelfall ein Bezug zur organisierten Kriminalität bestehen muss (vergleiche Bundestagsdrucksache 12/6853, S. 27 f.; Bundestagsdrucksache 13/8651, S. 11 f.; Bundestagsdrucksache 14/8893, S. 10). Die nunmehr vorgesehene Erstreckung auf alle Straftaten geht über die Bestimmungen der Richtlinie hinaus, die im Vergleich zum geltenden Recht lediglich die Einbeziehung einer Reihe weiterer Delikte als Geldwäschevortaten fordert. Systematik und Grenzen dieser Richtlinienvorgaben sind teilweise kompetenzrechtlicher Natur. Mit dem Verzicht auf einen selektiven Vortatenkatalog und der Aufnahme sämtlicher Straftaten in den Kreis der Vortaten wird der Tatbestand erweitert und die Beweisführung entsprechend erleichtert. Dabei gilt aber weiterhin, dass die volle Überzeugung des Gerichts vom Vorliegen einer Vortat erforderlich ist. Das Gericht muss von der strafrechtlichen Herkunft des Geldwäschegegenstands überzeugt sein, also zu seiner sicheren Überzeugung feststellen, dass der zu waschende Gegenstand Tatertrag, Tatprodukt oder ein an dessen Stelle getretener anderer Vermögensgegenstand ist.

Der Strafrahmen sieht weiterhin Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen vor, in besonders schweren Fällen – insbesondere bei gewerbs- oder bandenmäßigem Handeln – sechs Monate bis zehn Jahre Freiheitsstrafe. Wer leichtfertig einen durch eine Straftat erlangten Vermögensgegenstand nicht erkennt, dem droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe.

Laut Paragraf 8 des Gesetzentwurfes wird nicht bestraft

  1. wer die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlasst, wenn nicht die Tat zu diesem Zeitpunkt bereits ganz oder zum Teil entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste

Die Ermittlungsbefugnisse sollen dabei nicht geändert werden und Telekommunikation- und Online-Überwachungen nach wie vor ausschließlich bei schwerwiegenden Fällen zum Einsatz kommen. Sollten zur Beurteilung des Einzelfalles besondere Wirtschaftskenntnisse notwendig sein, sollen statt der bislang zuständigen Landgerichte die Wirtschaftsstrafkammern übernehmen.

Im Bezug auf die Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie, die bereits im Dezember 2019 in Kraft trat und bis Dezember 2021 in nationales Recht umgesetzt werden muss, bedeutet der neue Gesetzentwurf, dass die Implementierung eines geeigneten Hinweisgebersystems für Unternehmen immer dringender wird. Laut der Richtlinie sind Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern, sämtliche Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche sowie Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern verpflichtet, ein internes Whistleblowing-System einzurichten. (siehe auch https://omv-law.com/compliance/)

Strafrechtler kritisieren den gestern beschlossenen Gesetzentwurf. Das neue Gesetz werde die ohnehin Strafjustiz mit unzähligen Verfahren belasten und damit eine effektive Geldwäschebekämpfung nicht stärken, sondern schwächen. Durch die Erfassung von Geld aus weit verbreiteten Massendelikten würden Banken, Händler und letztlich sämtliche Wirtschaftsakteure vor große Probleme gestellt. Manche Experten zeigen sich irritiert, dass das Gesetz, das zum Ziel hatte, die EU-Richtlinie 2018/1673 des Europäischen Parlaments und des Rates über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche umzusetzen, diese Vorgaben bewusst bei weitem übertreffe.

Hier finden Sie den gesamten Gesetzentwurf: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RegE_Geldwaesche_Bekaempfung.html?nn=6705022

Hier finden Sie die EU-Whistleblowing-Richtlinie: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019L1937&from=EN

Neue Pflichten für Notare zur Meldung von Geldwäsche-Verdachtsfällen

Nach einem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 20.05.2020 sollen Notare in bestimmten Fällen bereits den Verdacht auf Geldwäsche in Form einer Sachverhaltsmeldung melden – voraussichtlich bereits im Herbst 2020.

In der Praxis wird nahezu einhellig davon ausgegangen, dass die „Verordnung zu den nach dem Geldwäschegesetz meldepflichtigen Sachverhalten im Immobilienbereich (GwGMeldV-Immobilien)“ erlassen  und Anpassungen innerhalb der Notariate erfordern wird. Nach aktueller Rechtslage sind Notare – ungeachtet der strafrechtlichen Grenze durch § 261 StGB – zur Meldung von Sachverhalten bei der für Geldwäschemeldungen zuständigen FIU nur bei Kenntnis von Geldwäsche durch Mandanten verpflichtet (§ 43 Abs. 2 GwG).

Dies wird zukünftig anders werden, so dass bereits der Verdacht der Geldwäsche in bestimmten Fällen zu einer Sachverhaltsmeldung führen muss. Diese Fälle bestimmt die GwGMeldV-Immobilien (vgl. § 43 Abs. 6 GwG).

Im Einzelnen handelt es sich um Sachverhalte, bei denen der Bezug zu einem Risikostaat besteht (§ 4 GwGMeldV-Immobilien). Die maßgebliche Vorschrift erstreckt sich auf die Festlegung der Delegierten-Verordnung der EU- Kommission und auf die Informationsberichte der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF). Nicht umfasst sind somit die in der Ersten Nationalen Risikoanalyse (BMF) 2018/2019 aufgeführten Länder, zu denen u.a. Russland, China, die Türkei und wohl auch europäische Länder wie Italien, Malta und Großbritannien zählen. Bei den letztgenannten Ländern ist allerdings zu beachten, dass diese nach Auffassung der Notaraufsicht in Berlin stets einer erhöhten Sorgfaltspflicht bedürfen und damit erweiterte Auskünfte eingeholt werden müssen.

Eine Meldepflicht kann des Weiteren ausgelöst werden, wenn Auffälligkeiten im Zusammenhang mit den beteiligten Personen oder dem wirtschaftlich Berechtigten auftreten, zum Beispiel der Erwerbsvorgang in einem groben Missverhältnis zu dem legalen Vermögen von Veräußerer oder Erwerber steht oder es sich um eine grenzüberschreitende Steuergestaltung handelt. Auch bei Auffälligkeiten im Zusammenhang mit dem Preis oder einer Kauf- oder Zahlungsmodalität ist eine Meldung abzugeben (§ 7 GwGMeldV-Immobilien).

Die bei Erwerbsvorgängen von Immobilien ansetzenden Meldepflichten bei Verdacht führen dazu, dass Notare zukünftig nach entsprechender Registrierung bei der FIU regelmäßig Geldwäsche-Sachverhaltsmitteilungen abgeben müssen. Die Notaraufsicht in Berlin prüft derzeit rückwirkend (noch nicht auf Grundlage der voraussichtlich im Herbst kommenden GwGMeldV-Immobilien) die Geldwäsche-Compliance der Notariate ab 2018. Im Blick stehen dabei v.a. Anderkonten, die allgemeine Risikoanalyse und der Bußgeldkatalog des § 56 GwG.

Da die Notaraufsicht in Berlin die Auffassung vertritt, dass die Aufsicht – anders als die Notariate (vgl. § 43 Abs. 2 GwG) – schon bei dem Verdacht der Geldwäsche eine Meldung abzugeben hat, kommt es im Wege der Prüfung durch die Aufsicht vermehrt zu nachträglichen Meldungen.

Fast 50 Prozent mehr Verdachtsmeldungen wegen Geldwäsche in 2019

Bei der Financial Intelligence Unit (FIU) sind im vergangenen Jahr 114.914 Meldungen wegen des Verdachts auf Geldwäsche und Terrorfinanzierung eigegangen. Ein Anstieg um fast 49 % gegenüber dem Vorjahr. Die meisten Hinweise kamen von Banken. Aber auch Makler und Notare melden häufiger mögliche Unregelmäßigkeiten.

Die FIU wurde nach den Anschlägen des 11.09.2001 beim Bundeskriminalamt (BKA) eingerichtet. Sie ist ist eine Art Spezialeinheit zur Geldwäschebekämpfung, die entsprechende Meldungen von Banken, Finanzdienstleistern und Güterhändlern entgegen nimmt, prüft und gegebenenfalls an Strafverfolgungsbehörden weiterleitet. Seit dem 26. Juni 2017 ist die FIU bei der Generalzolldirektion angesiedelt.

Insgesamt hat sich das jährliche Meldeaufkommen in Deutschland seit 2009 fast verzwölffacht. Die Behörden führen das auf die gestiegene Sensibilisierung der nach dem Geldwäschegesetz zur Meldung verpflichteten Stellen sowie auf die zunehmende Automatisierung bei großen Kreditinstituten zurück.

Nach wie vor stammen rund 98 % aller Meldungen aus dem Finanzsektor. Die Zahl der eingegangenen Verdachtsmeldungen aus dem Nichtfinanzsektor, der mittlerweile stärker unter Beobachtung genommen wird, macht zwar nur rund 1,3 % der Gesamteingänge aus, ist im Jahr 2019 aber auch um und 50 Prozent gestiegen. Für den Anstieg sind vor allem Veranstalter und Vermittler von Glücksspielen verantwortlich. Aber auch die Zahl der Verdachtsmeldungen von Immobilienmaklern und Notaren stieg deutlich.

Gut ein Drittel der Verdachtsfälle betrafen innerdeutsche Vorgänge. Bei einigen Ländern wurden jeweils mehr als 1000 fragwürdige Transaktionen angezeigt; dazu zählen die Niederlande, Italien, die Schweiz, die Türkei, Russland, China, die USA, und Großbritannien.

„Die Tendenz der kontinuierlich steigenden Zahl der an die FIU übermittelten Verdachtsmeldungen zeigt, dass die umfangreichen Sensibilisierungs- und Koordinierungsmaßnahmen der FIU wirken“, wurde der Leiter der FIU, Christof Schulte, zitiert. Er zeigte sich zuverlässig, dass es gelingen könne, „die globale Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung nachhaltig zu bekämpfen und international agierenden kriminellen Netzwerken das Handwerk zu legen“.

Dem Tagesspiegel sagte Schulte: „Wir werden 2020 noch deutlich mehr Meldungen haben als im vorigen Jahr.“

Reform der Geldwäsche gem. § 261 StGB: Gesetzgeber greift durch

Deutschland wird gerne als Geldwäsche-Paradies bezeichnet. Im Gegensatz dazu steht die laufende Reformierung und Verschärfung des Geldwäscheparagrafen § 261 StGB, bei der nach dem am Dienstag, den 11.08.2020 durch das Bundesjustizministerium vorgelegten Entwurf kein Stein auf dem anderen bleibt. Es war bereits erwartet worden, dass der Gesetzgeber die Umsetzung der europäischen Vorgaben fristgerecht noch im Laufe dieses Jahres vornimmt und die Voraussetzung des Bandenmäßigkeit und der Gewerblichkeit wegfallen. Der jetzige Entwurf sieht nun vor, die Beschränkung auf bestimmte Katalogtaten generell entfallen zu lassen. https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_Geldwaesche_Bekaempfung.pdf;jsessionid=B922338F1565DC21A5649EA377EAA070.1_cid297?__blob=publicationFile&v=1

Diese grundlegende Reform stellt eine massive Erweiterung der Geldwäsche-Strafbarkeit dar, die – wie es der Gesetzgeber beabsichtigt – dazu führen wird, dass „eine Geldwäschestrafbarkeit … deutlich häufiger als bisher greifen“ wird. Zudem verspricht sich der Gesetzgeber eine Erleichterung der Beweisführung. Im Zuge der Reform werden zudem strafprozessuale Eingriffsbefugnisse erweitert und die Möglichkeiten der selbstständigen Einziehung gem. § 76a StGB erweitert.

In der Einleitung des Gesetzesentwurfs heißt es wie folgt (Hervorhebung jeweils nicht im Original):

„Das geltende deutsche Recht entspricht zwar bereits weitgehend den geldwäscherechtli- chen Vorgaben verschiedener internationaler Rechtsinstrumente wie beispielsweise dem Übereinkommen des Europarats vom 16. Mai 2005 über Geldwäsche sowie Ermittlung, Be- schlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten und über die Finanzierung des Terrorismus, dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption sowie dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kri- minalität. Auch den Vorgaben der Richtlinie entspricht § 261 des Strafgesetzbuches (StGB) bereits zu einem großen Teil. Allerdings soll die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwä- sche weiter verbessert und dazu auch über die internationalen Mindestvorgaben hinausge- gangen werden. Die Umsetzung der Richtlinie wird daher verbunden mit einer Neufassung des Straftatbestandes, der zukünftig alle Straftaten als Geldwäschevortaten einbeziehen soll. Eine Geldwäschestrafbarkeit wird damit deutlich häufiger als bisher greifen.

Seiner ursprünglichen Konzeption nach diente § 261 StGB der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, indem das Einschleusen von Vermögensgegenständen, die aus unerlaubten Drogengeschäften, aus Verbrechen oder aus von einem Mitglied einer kriminellen Vereinigung begangenen Vergehen stammen, in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf unter Strafe gestellt wurde (vergleiche Bundestagsdrucksache 12/989, S. 26 f.; Bundestagsdrucksache 12/3533, S. 10 f.). Dieses Ziel wurde in der Folge auf die Bekämpfung anderer schwerwiegender Kriminalität ausgeweitet, ohne dass im Einzelfall ein Bezug zur organisierten Kriminalität bestehen muss (vergleiche Bundestagsdrucksache 12/6853, S. 27 f.; Bundestagsdrucksache 13/8651, S. 11 f.; Bundestagsdrucksache 14/8893, S. 10). Die nunmehr vorgesehene Erstreckung auf alle Straftaten geht über die Bestimmungen der Richtlinie hinaus, die im Vergleich zum geltenden Recht lediglich die Einbeziehung einer Reihe weiterer Delikte als Geldwäschevortaten fordert.

Systematik und Grenzen dieser Richtlinienvorgaben sind teilweise kompetenzrechtlicher Natur. Die Richtlinie sieht dementsprechend keine umfassende Erweiterung des Vortatenkatalogs vor, sondern verlangt eine vollständige Einbeziehung insbesondere der Deliktsbereiche, für die die EU Mindestvor- schriften zur Festlegung von Straftaten und Strafen erlassen kann. Der Umsetzungsgesetzgeber ist nicht daran gehindert, über diese eingeschränkten Mindestvorgaben hinauszugehen, um so die materiell-rechtlichen Grundlagen für eine nachdrückliche Intensivierung der Geldwäschestrafverfolgung zu schaffen. Mit dem Verzicht auf einen selektiven Vortatenkatalog und der Aufnahme sämtlicher Straftaten in den Kreis der Vortaten wird der Tatbestand erweitert und die Beweisführung entsprechend erleichtert. Dabei gilt aber weiterhin, dass die volle Überzeugung des Gerichts vom Vorliegen einer Vortat erforderlich ist. Das Gericht muss von der strafrechtlichen Herkunft des Geldwäschegegenstands überzeugt sein, also zu seiner sicheren Überzeugung feststellen, dass der zu waschende Gegenstand Tatertrag, Tatprodukt oder ein an dessen Stelle getretener anderer Vermögensgegenstand ist.

Die mit dieser Änderung einhergehende Ausweitung der Norm macht es aus Gründen der Eingrenzung und Ausgewogenheit der Strafandrohung notwendig, die weiteren Voraussetzungen der Regelung zu präzisieren und einzuschränken. Insbesondere kann nicht an der Strafbarkeit der bloß leichtfertigen Geldwäsche festgehalten werden. Im Übrigen soll im Zuge der erforderlichen Anpassungen durch eine Überarbeitung der Umschreibung tauglicher Tatobjekte und durch eine Neuordnung der Tathandlungen die Handhabbarkeit des § 261 StGB insgesamt verbessert werden. Zugleich werden durch diese Anpassungen auch die von der Richtlinie vorgegebenen Tathandlungen ohne Einschränkungen abgedeckt.“

Stellungnahme: Der Entwurf geht nun in die weitere rechtspolitische Diskussion. Da dieser sich in die bisherige Entwicklung der Verschärfung der Geldwäschestrafbarkeit und der Vermögensabschöpfung nahtlos einfügt, kann von der Umsetzung der wesentlichen Punkte ausgegangen werden. Wie praxistauglich die strengen Vorgaben sind, wird sich dann zeigen müssen. Insbesondere die Überzeugung des Gerichts, dass es sich um Tatertrag handelt, wenn der Vortatenkatalog nicht für Begrenzung sorgt, begründet die Sorge, dass es künftig zu Übermaßentscheidungen kommen könne („Es wird sich schon um Tatertrag handeln“). Jedenfalls wird der Beratungsbedarf hinsichtlich der geschäftlichen Risiken in Bezug auf Geldwäsche weiter zunehmen. In vielen Branchen dürfte eine Geldwäsche-Compliance-Beratung  Standard werden.

 

 

BMF veröffentlicht finale Liste für den automatischen Austausch von Finanzdaten zu Ende 2020 (§ 1 Absatz 1 FKAustG) )

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat die finale Staatenaustauschliste im Sinne des § 1 Absatz 1 FKAustG (Automatischer Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen nach dem Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz) zum 31. Dezember 2020 veröffentlicht. Auf der Liste der am automatischen Datenaustausch beteiligten Länder finden sich 100 Staaten von Andorra bis Zypern.

Gleichzeitig wies das BMF darauf hin, dass aufgrund von COVID-19 die Frist zur Übermittlung der Finanzkontendaten  gemäß § 27 Absatz 2 FKAUSTG bis zum  verlängert werde.

Dazu heißt es:

Aufgrund der aktuellen COVID-19-Pandemie verständigten sich die am automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen teilnehmenden Staaten darauf, Informationen über Finanzkonten in Steuersachen für den Meldezeitraum 2019 zwischen dem BZSt und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates im Sinne des § 1 Absatz 1 FKAustG bis zum automatisch auszutauschen.

Dem BZSt sind hierfür von den meldenden Finanzinstituten die Finanzkontendaten zu den meldepflichtigen Konten nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch im Wege der Datenfernübertragung zum zu übermitteln (§ 27 Absatz 2 FKAustG).

Angesichts des aufgrund der COVID-19-Pandemie verschobenen Austauschzeitpunkts im Sinne des § 27 Absatz 1 FKAustG für den Meldezeitraum 2019 auf den ist eine Übermittlung gemäß § 27Absatz 2 FKAustG an das BZSt bis zum nicht zu beanstanden.

Den Wortlaut des BMF-Schreibens finden Sie hier: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Internationales_Steuerrecht/Allgemeine_Informationen/2020-07-01-FKAustG-finale-Staatenaustauschliste.pdf;jsessionid=A51427754776CE91034627EA3B04690E.delivery1-replication?__blob=publicationFile&v=2