Radiointerview mit Michael Olfen am 25.04.2013 um 19:05 Uhr im NDR 2, NDR 2 Spezial – “Warum wir Steuern brauchen – und viele trotzdem den Staat betrügen!”

Thema des Beitrags: Die endgültige Strafbefreiung der Selbstanzeige und das Verfahren der Abgabe, wenn Bankunterlagen nicht vorliegen und Tatentdeckung droht.

Hier geht´s zum Interview

Auch Uli Hoeneß hat einen Anspruch auf Wahrung des Steuergeheimnisses

Das Thema Selbstanzeige erhitzt weiterhin die Gemüter. Angeheizt durch die bekannt gewordene Selbstanzeige des FC Bayern Präsidenten, Uli Hoeneß, wird Land auf und Land ab in Talk Shows die Sinnhaftigkeit einer Selbstanzeige diskutiert. Leider wird die Diskussion zu dem Thema mit viel Polemik geführt und es fehlt häufig an dem notwendigen Fachwissen, wenn sich diesem Thema genähert wird.

Insbesondere muss die öffentliche Debatte über den Steuerpflichtigen Uli Hoeneß befremden.

Die Gesetzeslage gibt den Steuerflüchtlingen nach wie vor das Instrumentarium einer Selbstanzeige an die Hand, um über eine steuerliche Lebensbeichte Straffreiheit nach § 371 AO zu erlangen, wenn die Selbstanzeige wirksam geworden ist. Das haben die Ermittlungsbehörden zu prüfen. Solange die Prüfung der Staatsanwaltschaft andauert, ob vielleicht bereits ein Sperrgrund zum Zeitpunkt der Abgabe nach § 371 Abs. 2 AO vorgelegen hat oder etwa die Selbstanzeige unvollständig gewesen ist, wird das Strafverfahren nicht nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Doch bis zum Ende der Prüfung gilt das Steuergeheimnis fort. Das Gesetz schützt in § 30 AO nach wie vor das Steuergeheimnis. Dazu gehört auch der Umstand, dass Uli Hoeneß eine Selbstanzeige abgegeben hat. Die Abgabe einer Selbstanzeige ist eine formlos gültige Steuererklärung und stellt keine strafprozessuale Verfahrenshandlung in dem Ermittlungsverfahren dar. Deutlich wird dies bereits daran, dass ein Ermittlungsverfahren erst dann eröffnet wird, wenn die Selbstanzeige abgegeben worden ist und damit ein Anfangsverdacht auf eine strafbare Steuerverkürzung überhaupt begründbar ist.

Die Selbstanzeige unterfällt demnach als Steuererklärung sui generis dem Steuergeheimnis nach § 30 AO.

Dort heißt es:

Amtsträger haben das Steuergeheimnis zu wahren.

Ein Amtsträger verletzt das Steuergeheimnis, wenn er Verhältnisse eines anderen, die ihm

a) in einem Verwaltungsverfahren, einem Rechnungsprüfungsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen,
b)in einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder einem Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit,
c) aus anderem Anlass durch Mitteilung einer Finanzbehörde oder durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorlage eines Steuerbescheids oder einer Bescheinigung über die bei der Besteuerung getroffenen Feststellungen,

bekannt geworden sind, unbefugt offenbart oder verwertet.

Auch Uli Hoeneß hat wie jeder andere Steuerpflichtige dieses Recht in Anspruch genommen und eine Selbstanzeige zur Erlangung der Straffreiheit abgegeben. Allein die Weitergabe der Information, dass Herr Hoeneß eine Selbstanzeige abgegeben hat, ist demnach vom Steuergeheimnis umfasst.

Sollte demnach das Datenleck in der Finanzbehörde oder der Staatsanwaltschaft auszumachen sein, dann würden Amtspflichtverletzungen der handelnden Personen zu Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Dienstherrn nach § 823 BGB i.V.m. Art 39 GG führen können.

Nach § 839 BGB ist Schadensersatz zu gewähren, wenn ein Beamter schuldhaft die ihm einem
Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt und daraus ein Schaden entstanden ist.

Niemand wird in Abrede stellen wollen, dass das öffentliche Ansehen des in der Öffentlichkeit stehenden Präsidenten des FC Bayern infolge der Medienberichterstattung schwer beschädigt worden ist.

Für Amtspflichtverletzungen haftet der Dienstherr, mithin das Land Bayern und damit wiederum der Steuerzahler. Uli Hoeneß hat sowohl das Standing als auch die finanziellen Mittel, um etwaige Schadensersatzansprüche gegenüber dem Land Bayern durchzusetzen.

Ob er aber jemals wieder seinen tadellosen Ruf wiederherstellen kann, darf doch stark bezweifelt werden.

Das ist meines Erachtens Strafe durch die Hintertür, die das Gesetz durch die Schutzwirkung des Steuergeheimnisses in §§ 371, 30 AO eigentlich vermeiden wollte.

Hintergrundgespräch mit mir zum Thema Selbstanzeige, Steuerhinterziehung und Steuerflucht Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)

Nachdem am Wochenende vermeldet wurde, dass Uli Hoeneß offenbar eine Selbstanzeige abgegeben hat, hat sich die Berichterstattung zum Thema Selbstanzeige überschlagen. Zwar boten bereits die von den deutschen Steuerbehörden angekauften Steuerdaten-CDs mit Kundennamen und Kontodaten von eidgenössischen Bankinstituten Anlaß, das Thema Selbstanzeige zu durchleuchten. Doch die Nachfrage nach Hintergrundwissen zum Thema Steuerflucht und Selbstanzeige hat nochmals eine erhebliche Eigendynamik durch die Personalie Uli Hoeneß gewonnen.

In diesem Zusammen habe ich ein Interview gegenüber dem Sender Fritz (Rundfunk Berlin-Brandenburg, rbb) gegeben:

Hier geht´s zum Interview

Selbstanzeige noch möglich bei Ankauf einer Steuerdaten-CD aus der Schweiz

Das Online Magazin, Spiegel-Online (SPON), vermeldet am 16.04.2013, dass eine Großaktion wegen Fiskusbetrugs angelaufen ist. Durch den Ankauf einer neuen Steuerdaten-CD seien bundesweite Razzien ausgelöst worden. Gut 10.000 Bankkunden sind danach betroffen und es gehe um hinterzogene Steuern von mehr als einer halben Milliarde Euro. Nach Spiegel-Informationen, die sich wiederum auf Informationen der Staatsanwaltschaft Koblenz berufen, sind von den Razzien Kunden der Credit Suisse, der ehemaligen Clariden Leu AG und der Neuen Aargauer Bank betroffen.

Betroffene Bankkunden mögen sich fragen, ob für Sie trotzdem noch das Instrument der Selbstanzeige zur Erlangung von Straffreiheit nach § 371 AO genutzt werden kann. Die Antwort lautet: Es kommt darauf an! In jedem Fall ist nunmehr schnell zu handeln.

Insbesondere wird bei der Prüfung der Selbstanzeigemöglichkeit ins Gewicht fallen, ob die zuständigen Wohnsitzfinanzämter bereits auf der Grundlage der aus der Steuerdaten-CD gewonnenen Informationen die Einkommenssteuererklärungen abgeglichen haben, ob die schweizer Kapitalerträge erklärt worden sind. Ist dieser Schritt von der Finanzbehörde noch nicht vollständig abgeschlossen, so kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass eine Steuerhinterziehung allein durch die Informationen auf der Steuerdaten-CD bereits aufgedeckt worden ist.

Allein das Unterhalten eines Bankkontos in der Schweiz und die dort erzielten Kapitalerträge, die dem Steuerfahnder mit Ankauf bekannt geworden sind, dürfte allein noch kein ausreichender Umstand sein, der zur Tatentdeckung geführt hat. Bei Tatentdeckung liegt nach § 371 Abs. 2 AO ein Sperrgrund für die wirksame und zur Straffreiheit führende Selbstanzeige vor.

Eine sofortige Selbstanzeige bis zum Abgleich mit den persönlichen Angaben in der Steuererklärung könnte deshalb noch wirksam werden. Hierbei sind aber unbedingt sämtliche Kapitalerträge aus allen verschwiegenen Depots bei sämtlichen ausländischen Kreditinstituten und andere bisher verschwiegene Einnahmen, z.B. aus Vermietung und Verpachtung, Schwarzeinnahmen im Inland, verdeckte Gewinnausschüttungen usw. zu offenbaren. Wenn das Finanzamt nachträglich eine noch nicht offen gelegte Steuerquelle z.B. im Rahmen einer Betriebsprüfung aufdeckt, wird die ursprünglich abgegebene Selbstanzeige rückwirkend unwirksam und der Täter darf mit einer harten Bestrafung rechnen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) verlangt schon seit Jahren eine vollständige Rückkehr zur Steuerehrlichkeit, um in den Genuss der Straffreiheit zu gelangen. Ein Instrumentarium, welches es im allgemeinen Vermögensstrafrecht z.B. bei Betrug, nicht gibt. Deshalb sind nach Auffassung des BGH die Hürden besonders hoch anzusetzen.

Die Schweiz hat sich inzwischen zu einer sog. Weißgeldstrategie bekannt und wird Schritt für Schritt Steuerhinterzieher in der eigenen Kundschaft aussortieren und nicht länger dulden, dass mittels eigener Bankverbindungen Kapitalerträge unversteuert bleiben. In der Tagespresse (siehe Süddeutsche-Online vom 4.3.2013) wollen eidgenössische Banken deutsche Kunden ausdrücklich dazu bewegen, unversteuertes Vermögen dem Finanzamt zu melden.

International führt der Informationsaustausch zwischen den jeweiligen Steuerjurisdiktionen wie auch die Datenlecks bei deren Initiatoren zu einer immens gestiegenen Aufdeckungsgefahr.

Solange deutsche Steuersünder noch die “Goldene Brücke” der Selbstanzeige nutzen können und diese politisch opportun ist, bleibt nicht mehr viel Zeit. Die nächste Bundestagswahl könnte das bereits ändern und die Selbstanzeige endgültig abgeschafft werden. Wenn die Finanzbehörde bereits mit den vorhandenen Ermittlungsinstrumentarien in der Lage sind, systematisch, und zwar international, Steuersünder aufzuspüren, wer braucht dann noch die Selbstanzeige?