Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Korrektur bestandskräftiger Bescheide nach Außenprüfung

Am 6. Mai 2024 entschied der Bundesfinanzhof (BFH) im Fall III R 14/22 zur Korrektur von bestandskräftigen Einkommensteuerbescheiden nach einer Außenprüfung. Der BFH hob das vorherige Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück.

Hintergrund der Entscheidung
In den Jahren 2013 und 2014 ermittelte der Kläger, ein Einzelunternehmer, seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG. Dabei wurden erheblicheMängel in der Kassenführung festgestellt. Die Aufzeichnungen waren nicht gegen nachträgliche Änderungen geschützt und es gab viele unbelegte Korrekturen auf den Z-Bons.

Wesentliche Aspekte der Entscheidung
Der BFH stellte fest, dass die Art und Weise der Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen als Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu betrachten ist. Die Finanzbehörde kann aufgrund dieser Tatsachen eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vornehmen, wenn die Aufzeichnungen unvollständig oder fehlerhaft sind.

Schätzung bei Mängeln in der Kassenführung
Sowohl bei Verletzung der Aufbewahrungspflicht als auch bei Verletzung der Aufzeichnungspflicht ist das Finanzamt dem Grunde nach zur Schätzung gemäß § 162 Abs. 1 und 2 AO berechtigt (BFH-Urteil vom 26.02.2004 – XI R 25/02, BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599, unter II.1.e). § 162 Abs. 1 Satz 1 AO regelt, dass die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen hat, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag beziehungsweise wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 Abs. 2 AO der Besteuerung zugrunde gelegt werden.

Nach § 158 AO in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Diese Vorschrift gilt auch für Aufzeichnungen, die nach Einzelsteuergesetzen (z.B. § 22 UStG) zu erstellen sind, sowie für Aufzeichnungen im Zusammenhang mit einer Einnahmenüberschussrechnung (Seer in Tipke/Kruse, § 158 AO Rz 2; vgl. BFH-Urteil vom 12.12.2017 – VIII R 5/14, BFH/NV 2018, 602, Rz 33 f.; vgl. BFH-Beschluss vom 08.08.2019 – X B 117/18, BFH/NV 2019, 1219, Rz 16). Grundsätzlich verdient eine Einnahmenüberschussrechnung nur bei Vorlage geordneter und vollständiger Belege Vertrauen und kann für sich die Vermutung der Richtigkeit in Anspruch nehmen(BFH-Urteile vom 15.04.1999 – IV R 68/98, BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481, unter II.3. und vom 12.12.2017 – VIII R 6/14, BFH/NV 2018, 606, Rz 57).

Das Fehlen einer Verpflichtung zur Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben bedeutet nicht, dass das Finanzamt die erklärten Gewinne oder Verluste stets ungeprüft hinnehmen muss. Der Steuerpflichtige trägt das Risiko, dass das Finanzamt oder das Finanzgericht die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen können und deshalb die Voraussetzungen für eine Schätzung gemäß § 162 AO erfüllt sind (vgl. BFH-Urteil vom 15.04.1999 – IV R 68/98, BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481, unter II.3. und BFH-Beschluss vom 11.11.2022 – VIII B 97/21, BFH/NV 2023, 113, Rz 13).

Zur (Hinzu-)Schätzung berechtigen auch formelle Mängel der Aufzeichnungen über Bareinnahmen, die zwar keinen sicheren Schluss auf eine Einnahmenverkürzung zulassen, aber dazu führen, dass keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen besteht, ohne dass eine nachträgliche Ergänzung der Dokumentation beziehungsweise eine anderweitige Heilung des Mangels möglich wäre (vgl. BFH-Urteil vom 25.03.2015 – X R 20/13, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 27; BFH-Beschlüsse vom 14.08.2018 – XI B 2/18, BFH/NV 2019, 1, Rz 10 und vom 08.08.2019 – X B 117/18, BFH/NV 2019, 1219, Rz 18 f.).

Beratungshinweis für Mandanten
Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer ordnungsgemäßen Kassenführung und Aufzeichnungspflichten für Einzelunternehmer. Fehlerhafte oder unzureichende Aufzeichnungen können zu nachträglichen Steuerkorrekturen und zusätzlichen Steuerbelastungen führen. Dies gilt nach BFH auch dann, wenn die jeweiligen Steuerbescheide nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen und bekanntgegeben worden sind. Solange der Vorbehalt der Nachprüfung besteht, kann die Finanzbehörde den Steuerbescheid jederzeit ändern, sowohl zu Gunsten als auch zu Ungunsten des Steuerpflichtigen. Dies ermöglicht der Behörde, nachträglich erkannte Fehler zu korrigieren oder zusätzliche Informationen zu berücksichtigen. Ein Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung wird nicht bestandskräftig. Das bedeutet, er erlangt nicht die gleiche rechtliche Unanfechtbarkeit wie ein endgültiger Steuerbescheid. Die Fristen für Einsprüche oder Klagen ändern sich jedoch nicht. Der Vorbehalt der Nachprüfung kann aber nicht unbegrenzt bestehen bleiben. Nach Ablauf der Festsetzungsverjährung, die in der Regel vier Jahre beträgt, kann der Bescheid nicht mehr geändert werden, es sei denn, es liegen bestimmte Ausnahmefälle vor (z.B. bei Steuerhinterziehung). Vorliegende BFH-Entscheidung stellt nunmehr klar, dass Bescheide auch ohne Vorbehalt der Nachprüfung über die Korrekturvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zur Durchbrechnung der Bestandskraft vom Finanzamt herangezogen werden kann. Wir empfehlen daher dringend, Ihre Buchführungs- und Aufzeichnungspraxis regelmäßig zu überprüfen und sicherzustellen, dass alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind. Bei Fragen oder Unsicherheiten stehen wir Ihnen gerne beratend zur Seite.

Einführung der eRechnung – Chancen und staatliche Fördermöglichkeiten für KMU

Mit dem Wachstumschancengesetz (BGBl. I 2024 Nr. 108) wird ab dem 1. Januar 2025 die obligatorische Verwendung von elektronischen Rechnungen (eRechnungen) bei B2B-Umsätzen zwischen inländischen Unternehmen eingeführt. Dieser Schritt stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Digitalisierung des Geschäftsverkehrs dar und bringt zahlreiche Vorteile mit sich. Insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) bietet die Umstellung auf eRechnungen nicht nur Effizienzgewinne, sondern auch Chancen zur staatlichen Förderung.

 

Vorteile der eRechnung für KMU

Die Einführung der eRechnung bringt mehrere Vorteile mit sich, die insbesondere KMU zugutekommen können:
– Kosteneinsparungen: Durch den Wegfall von Druck-, Versand- und Lagerkosten können Unternehmen erhebliche Einsparungen erzielen.

– Schnellere Bearbeitung: Automatisierte Prozesse ermöglichen eine schnellere Bearbeitung und Zahlung von Rechnungen.

– Fehlerreduktion: Elektronische Verarbeitung reduziert die Fehlerquote und verbessert die Datenqualität.

– Umweltfreundlichkeit: Weniger Papierverbrauch trägt zu einem nachhaltigeren Geschäftsbetrieb bei.

– Compliance: Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen wird erleichtert.

 

Staatliche Fördermöglichkeiten für die Digitalisierung

Um die Einführung und Umsetzung der eRechnung zu unterstützen, bieten verschiedene staatliche Stellen Förderprogramme an. Diese Förderungen sind besonders für KMU interessant, die die initialen Kosten und den Aufwand der Umstellung bewältigen müssen.

 

Förderprogramme z.B. in Hamburg 

 

Hamburg-Kredit Wachstum

Zielgruppe: Kleine und mittlere Unternehmen (KMU)

Fördergegenstand: Finanzierung von Investitionen und Betriebsmitteln zur Realisierung von Wachstumsprojekten, einschließlich Digitalisierungsvorhaben.

Details und Antragstellung: Weitere Informationen finden Sie auf der Website der IFB Hamburg.

 

Hamburg-Digital

Zielgruppe: KMU in Hamburg

Fördergegenstand: Unterstützung bei Digitalisierungsmaßnahmen, z.B. Einführung von eRechnungen, Implementierung von IT-Systemen und digitalen Prozessen.

Details und Antragstellung: Weitere Informationen finden Sie auf der Website der IFB Hamburg.

Auch in den meisten anderen Bundesländern sind Förderprogramme aufgelegt worden.

 

Fazit
Die Einführung der obligatorischen eRechnung ab dem 1. Januar 2025 ist ein bedeutender Schritt in Richtung Digitalisierung des Geschäftsverkehrs. Für KMU bietet diese Umstellung nicht nur operative Vorteile, sondern auch die Möglichkeit, von staatlichen Förderprogrammen zu profitieren. Unternehmen sollten sich frühzeitig informieren und die verfügbaren Fördermöglichkeiten nutzen, um die Umstellung effizient und kostengünstig zu gestalten.

Wenn Sie weitere Fragen zur Einführung der eRechnung oder zu den Fördermöglichkeiten haben, stehen wir Ihnen gerne beratend – auch mit Online-Seminarangeboten oder inhouse-Schulungen – zur Seite. Nutzen Sie die Chancen der Digitalisierung und sichern Sie sich einen Wettbewerbsvorteil durch die effiziente und rechtssichere Nutzung von eRechnungen.

 

Hinweis: Die Informationen in diesem Beitrag sind nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Es wird jedoch empfohlen, sich für spezifische Beratung und die Beantragung von Fördermitteln direkt an die zuständigen Stellen oder an einen Fachberater zu wenden. Im Einzelfall biete auch ich hierzu Unterstützung an.