„Compliancewashing“ oder Vertrauensanwalt als interne Meldestelle nach dem HinSchG?
Der Begriff „Greenwashing“ ist bekannt. Hiermit sind Aktivitäten gemeint, die bewusst darauf abzielen, einem Unternehmen in der Öffentlichkeit ein grünes und nachhaltiges Image zu verleihen. Entsprechend laufen Unternehmen Gefahr, sich den Vorwurf des „Compliancewashing“ auszusetzen.
Im Zusammenhang mit der Einrichtung einer internen Meldestelle soll das Whistleblowing der Aufdeckung von Rechtsverstößen dienen. Nun könnten Unternehmen auf die nachvollziehbare Idee verfallen, den gesetzlichen Anforderungen zur Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) mit minimalem internen Schulungsaufwand und der Bereitstellung einer technischen Lösung als Meldekanal nachzukommen, um sich einen compliancefreundlichen Anstrich zu geben. Ein verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln im Zusammenhang mit Rechtsverstößen erfordert aber weit mehr.
Bereits seit Juli diesen Jahres mussten größere Unternehmen jedweder Branche sowie Kommunen und Finanzinstitute laut HinSchG unabhängige interne Meldekanäle für Rechtsverstöße und Fehlverhalten einrichten. Verstöße werden aber erst ab dem 02.12.2023 mit Bußgeldern geahndet. Aus verständlichen Gründen hat sich die Wirtschaft angesichts der Regelungsflut des Gesetzgebers und der weiter zunehmenden Bürokratisierung deshalb mit der Umsetzung bislang Zeit gelassen.
Es gibt inzwischen zahlreiche gewerbliche Anbieter auf dem Markt, die nicht nur eine smarte technische Lösung, sondern auch gleich die Übernahme der internen Meldestelle anbieten. In vielen anderen Fällen werden Unternehmen hierfür aber auch schlicht ihre eigenen Mitarbeiter mit minimalem Schulungsaufwand als Meldestelle einsetzen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Großer Schulungs- und IT-Aufwand werden vermieden. Aufgabe erledigt. Aber auch: Chance vertan.
Denn die Einrichtung einer hausinternen Whistleblowingstelle im Zusammenhang mit grundsätzlichen Compliancevorgaben böten dem Unternehmer im Falle von aufgedeckten Regelverstößen gute Argumente gegenüber den Straf- und Ordnungsbehörden, um darlegen zu können, der Aufsichtspflicht nachgekommen zu sein. Denn ordnungswidrig handelt, wer die Aufklärung einer Zuwiderhandlung durch die zugehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert. Bereits die interne Meldestelle könnte als starkes Indiz angeführt werden, eine Zuwiderhandlung wesentlich zu erschweren. Aufsichtspflichtverletzungen können im Übrigen bereits über § 130 OWiG mit Bußgeldern bis zu 1 Mio. € belegt werden, und zwar unabhängig von Größe und Mitarbeiterzahl eines Unternehmens.
Kurzfristige und scheinbar naheliegende Lösungen erweisen sich am Ende selten als nachhaltig und kostensparend. Warum also warten? Unternehmer werden sich bei Unterlassen zunehmend öffentlicher Kritik ausgesetzt sehen, ganz zu schweigen vom Imageverlust und dem verlorenen Wettkampf um die besten Köpfe auf dem fachkräftearmen Arbeitsmarkt. Den welche dringend erforderliche Fachkraft will bei einen „non-compliant“ Arbeitgeber anheuern?
Die mangelnde Bereitschaft sich mit diesem sensiblen Thema auseinanderzusetzen, dürften auch der bestehenden Unsicherheit im Zusammenhang mit dem HinSchG geschuldet sein. Viele Fragen sind noch unbeantwortet. Unter anderem welche Macht der installierten Meldestelle zuzubilligen ist und welche Pflichten von ihr zu erfüllen sind. Haben die eingerichteten Meldestellen nicht nur das Recht zur Durchführung interner Untersuchung, sondern sogar die Pflicht, auf der Grundlage der gesetzlichen Kompetenzzuweisung nach § 12 Abs. 4 HinSchG mit eigenem Budget unabhängige Interviews zur Aufklärung durchzuführen? Da die Beschäftigungsgeber der internen Meldestelle nicht nur die notwendigen Aufgaben zu erteilen haben, um Meldungen anzunehmen und zu prüfen, sondern auch die notwendigen Befugnisse einräumen müssen, unabhängig von der Geschäftsleitung Folgemaßnahmen zu ergreifen, dürfte der Schluss naheliegen, der Meldestelle auch entsprechende Pflichten aufzuerlegen.
Auch wenn die konkrete Kompetenzzuweisung angesichts der jungen Gesetzeslage und fehlender Judikatur den großen Konzerngesellschaften nur vorläufig Kopfzerbrechen bereiten wird, ist anhand der noch offenen rechtlichen Diskussion zu den Befugnissen bei der Aufgabenwahrnehmung einer internen Meldestelle bei den sog. KMU die Frage, wer denn die interne Meldestelle übernehmen soll, eigentlich vorgezeichnet. Jedenfalls dann, wenn sich ein Unternehmen nicht dem Vorwurf des angesprochenen „Comliancewashing“ aussetzen will. Auch kleinere Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten wären unter dem Gesichtspunkt des bereits schärferen Schwertes des § 130 OWiG äußerst schlecht beraten, die gesetzlich vorgesehenen internen Meldestellen ab Dezember lediglich über ein rein technisches Lösungsmodul, angereichert mit einem vierstündigen Schulungsaufwand umzusetzen. Dies dürfte auch den gesetzlichen Anforderungen zuwiderlaufen.
Zwar haben Bürokratie und der damit einhergehende Kostenaufwand für den Mittelstand bereits ein kritisches Ausmaß erreicht. Aber reine Lippenbekenntnisse zum Whistleblowing werden in der Praxis schnell entlarvt und haben meistens einen gegenteiligen Impact. Unzureichende Compliancepolitik und Maßnahmen infolge fehlerhaften Handelns im Zusammenhang mit der internen Meldestelle führen daher zu Schäden. Reputationsverluste bei Kunden und der eigenen Belegschaft sind zu befürchten, mal ganz abgesehen von den gesetzlich vorgesehenen Bußgeldern und Schadensersatzansprüchen der Hinweisgeber, die den Unternehmen drohen, sollten die Meldungen nicht mit der gesetzlich verpflichtenden Vertraulichkeit nach § 8 HinSchG behandelt werden.
Hier gilt der allseits bekannte Slogan des ehemaligen US Deputy Attorney General Paul McNulty: „If you think that compliance is expensive: try non-compliance“.
Das interne Meldesystem bietet auch kleinen Unternehmen die Gelegenheit, Compliancemaßnahmen über einen Vertrauensanwalt als Ombudsmann umzusetzen. Nur Rechtsanwält:innen sind – jedenfalls wenn sie im Bereich von Rechtsverstößen und strafrechtlich bzw. bußgeldbewehrten Fehlverhaltens im Unternehmen regelmäßig beauftragt werden – mit der ausreichender Rechtskunde und berufsrechtlichen Verschwiegenheit ausgestattete interne Meldestellen. Sie bedürfen keinerlei Schulungsaufwands und sind unter Zuhilfenahme von zertifizierter (SaaS-) Softwarelösungen eine ideale Lösung für KMU.
Auch unsere Kanzlei OMV Law bietet Unternehmen, Gemeinden usw. die Übernahme der internen Meldestelle unter Einbeziehung einer zertifizierten Software-as-a-Service (SaaS) Lösung an. Hierbei wird der Zugriff auf die Software durch die interne Meldestelle unserer Mandanten und die datenschutzkonforme Abwicklung und schlanke Verwaltung der Eingaben von Hinweisgebern geboten.
Michael Olfen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Steuerrecht, ist Gründungspartner der Kanzlei Olfen Meinecke Völger Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB