Das FG Baden-Württemberg hat mit Beschl. v. 12.8.2015 – 3 V 4193/13 (BeckRS 2015, 95754) aufgrund ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Hinzurechnungsbesteuerung im Verhältnis zur Schweiz einem Begehren auf Aussetzung zur Vollziehung entsprochen.
In dem Fall klagte ein im Inland unbeschränkt steuerpflichtiger Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer schweizerischen Kapitalgesellschaft. Nach einer Steuerfahndungsprüfung behandelte das FA die Gesellschaft als zur Steuervermeidung eingesetzte Zwischengesellschaft und erließ für die Jahre 2003 bis 2011 geänderte Feststellungsbescheide nach § 18 AStG (Gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen).
Der Antragsteller legte gegen die Bescheide Einspruch ein und begehrte wegen ernstlicher Zweifel an der unionsrechtlichen, abkommens- und verfassungsrechtlichen Ausgestaltung der Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7ff. AStG sowie wegen unbilliger Härte Aussetzung der Vollziehung. Die Maklertätigkeit stelle eine echte wirtschaftliche Tätigkeit i. S.d. § 8 Abs. 2 AStG dar. Der Antrag stützte sich auf die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) i.V.m. mit dem Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz sowie auf die in Drittstaatenfällen anwendbare Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV).
Das FA trug vor, die Stand-still-Klausel des Art. 64 Abs. 1 AEUV schließe die Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit aus und beantragte daher die Abweisung des Antrags.
Das FG Baden-Württemberg gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vollumfänglich statt. Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 S. 2 FGO müsse die Vollziehung bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Feststellungsbescheide nach § 18 AStG ausgesetzt werden. Dabei genüge schon die Aussicht auf Zulassung zur Revision. Nach derzeitigem Stand der Rechtsprechung zur Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG im Fall von Drittstaaten seien ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit nicht zu verneinen. Das FG Münster habe in einem vergleichbaren Fall zwar teilweise Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit für zulässig erachtet; auch das FG Münster habe aber die Revision zugelassen, die unterdessen auch eingelegt wurde.
Für die betreffenden Streitjahre stünde daher nicht mit der notwendigen Gewissheit fest, ob die §§ 7 ff. AStG unionsrechtskonform ausgestaltet seien. Nach der gebotenen summarischen Prüfung des beschließenden Senats erscheint nicht zuverlässig vorhersehbar, wie der EuGH die Vereinbarkeit der AStG-Vorschriften zur Hinzurechnungsbesteuerung für die Streitjahre, im Verhältnis zu Drittstaaten generell und insbesondere im Verhältnis zur Schweiz beurteilen wird. Auf die verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers käme es daher nicht mehr an.
Da eine Beschwerde nicht eingelegt wurde, wird eine Auseinandersetzung des BFH mit den vorgenannten Fragen im Revisionsverfahren vor dem BFH erfolgen.
Der Fall gibt jedenfalls Anlass, bei Fragen der Unionsrechts- und Verfassungskonformität der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung genauestens hinzuschauen und vor dem Hintergrund der Erwägungen des FG Baden-Württemberg die Erfolgsaussichten eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung zu prüfen.
Kanzleidurchsuchung: Begrenzung des § 404 Satz 2 AO nötig
/in Aktuelles /von Michael OlfenIn der 10. Ausgabe 2016 der Zeitschrift „Die Steuerberatung“ ist der aktuelle Aufsatz von Rechtsanwalt Olfen und Rechtsanwalt Dr. Meinecke zur Notwendigkeit der Begrenzung der Befugnisse der Steuerfahndung insbesondere bei Kanzleidurchsuchungen erschienen. Darin vertreten wir die Auffassung, dass die Sichtungsbefugnis von Steuerfahndern aufgrund der Doppelfunktion dieses Teils der Finanzbehörden erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt ist und die Befugnisse der Fahndungsbehörde einer Einschränkung bedürfen.
EGMR erklärt die Nutzung von durch Behörden angekauften Steuerdaten für zulässig
/in Steuerrecht, Steuerstrafrecht, Strafrecht /von Fabian MeineckeAm 6. Oktober 2016 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Zulässigkeit der Nutzung von auf angekauften Steuer-CDs befindlichen Daten entschieden (33696/11). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte bereits mit Entscheidung vom 9. Oktober 2010 (2 BvR 2101/09) – mithin sechs Jahre zuvor – in einer viel beachteten Entscheidung die Nutzung der Daten für zulässig erklärt. Da die Zeit der Steuer-CDs bzw. Datensticks mit dem zu Beginn des Jahres 2017 beginnenden automatischen internationalen Datenaustausch der Finanzbehörden vorübergehen wird, wirft die Entscheidung keine Schatten voraus, aber einen dunklen Schatten zurück. Weiterlesen
EGMR erklärt die Nutzung von durch Behörden angekauften Steuerdaten für zulässig
/in Aktuelles /von Michael OlfenAm 6. Oktober 2016 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Zulässigkeit der Nutzung von auf angekauften Steuer-CDs befindlichen Daten entschieden (33696/11). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte mit Entscheidung vom 9. Oktober 2010 (2 BvR 2101/09) – mithin sechs Jahre zuvor – ebenfalls in einer viel beachteten Entscheidung die Nutzung der Daten für zulässig erklärt. Da die Zeit der Steuer-CDs bzw. Datensticks mit dem zu Beginn des Jahres 2017 beginnenden automatischen internationalen Datenaustausch der Finanzbehörden vorübergehen wird, wirft die Entscheidung keine Schatten voraus, aber einen dunklen Schatten zurück. Weiterlesen
Hinterziehung als Steuerberater – Berufsrechtliche Folgen sind bei der Strafzumessung zu beachten
/in Steuerstrafrecht, Strafrecht, Wirtschaftsstrafrecht /von Michael OlfenDer BGH in Strafsachen hat entschieden, dass die berufsrechtlichen Folgen als Abwägungskriterium bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Das Tatgericht hat im Rahmen der Strafzumessungserwägungen die einem Angeklagten als Steuerberater wegen der strafrechtlichen Verurteilung drohenden berufsrechtlichen Folgen gemäß §§ 89 I, 90 I Nr. 5 StBerG zu berücksichtigen. Die Tatnebenfolgen treten neben der Verpflichtung zur Steuernachzahlung und der Hinterziehung gerade bei Berufsträgern in den Vordergrund und werden zur beruflichen Existenzfrage. Der BGH-Beschluss vom 27.07.2016 – 1 StR 256/16 – hat deshalb zutreffend gerade auch die berufsrechtlichen Folgen als Strafzumessungskriterium in den Blick genommen.
Hinterziehung als Steuerberater – Berufsrechtliche Folgen sind bei der Strafzumessung zu beachten
/in Aktuelles /von Michael OlfenDer BGH in Strafsachen hat entschieden, dass die berufsrechtlichen Folgen als Abwägungskriterium bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind.
Das Tatgericht hat im Rahmen der Strafzumessungserwägungen die einem Angeklagten als Steuerberater wegen der strafrechtlichen Verurteilung drohenden berufsrechtlichen Folgen gemäß §§ 89 I, 90 I Nr. 5 StBerG zu berücksichtigen. Die Tatnebenfolgen treten neben der Verpflichtung zur Steuernachzahlung und der Hinterziehung gerade bei Berufsträgern in den Vordergrund und werden zur beruflichen Existenzfrage. Der BGH-Beschluss vom 27.07.2016 – 1 StR 256/16 – hat deshalb zutreffend gerade auch die berufsrechtlichen Folgen als Strafzumessungskriterium in den Blick genommen.
Rechtsanwalt Dr. Meinecke aus unserer Kanzlei erhält Preis des „Deutsche Strafverteidiger e.V.“
/0 Kommentare/in Wirtschaftsstrafrecht /von siliconplanetRechtsanwalt Dr. Fabian Meinecke, M.A., aus unserer Berliner Kanzlei wird mit dem Preis des „Deutsche Strafverteidiger e.V.“ geehrt. Rechtsanwalt Dr. Meinecke hat sich in besonderer Weise um das Strafrecht und die Strafverteidigung verdient gemacht. In seiner Arbeit wird „ein bisher kaum beachtetes, aber wesentliches Problemfeld von Strafverfahren hervorgehoben“, begründet der Verein „Deutsche Strafverteidiger“ seine Entscheidung.
Wir gratulieren unserem Kollegen Herrn Dr. Meinecke zu dieser Auszeichnung und zu dieser herausragenden Arbeit.
Die These seiner Arbeit ist auch das Selbstverständnis der Kanzlei Oberwetter & Olfen. Es ist unser dringendes Anliegen, die Persönlichkeitsrechte unserer prominenten Mandanten zu jeder Zeit bestmöglich zu schützen. Und es ist uns gelungen, dass bislang keiner unserer in der Öffentlichkeit stehenden Mandanten – beispielsweise aus Wirtschaft, Film-, Musik- oder
Autoren-Szene – im Zusammenhang mit steuer- oder strafrechtlichen Ermittlungen in den Medien Erwähnung fand.
Rechtsanwalt Dr. Meinecke ist in unserer Kanzlei auf dem Gebiet des Steuer- und Wirtschaftsstrafrecht bundesweit tätig.
Risiken bei Cross-Border-Geschäften
/0 Kommentare/in Steuerstrafrecht, Strafrecht, Wirtschaftsstrafrecht /von siliconplanetEntscheidung des FG Baden-Württemberg zur Unionsrechtskonformität der Hinzurechnungsbesteuerung
/0 Kommentare/in Steuerrecht /von siliconplanetDas FG Baden-Württemberg hat mit Beschl. v. 12.8.2015 – 3 V 4193/13 (BeckRS 2015, 95754) aufgrund ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Hinzurechnungsbesteuerung im Verhältnis zur Schweiz einem Begehren auf Aussetzung zur Vollziehung entsprochen.
In dem Fall klagte ein im Inland unbeschränkt steuerpflichtiger Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer schweizerischen Kapitalgesellschaft. Nach einer Steuerfahndungsprüfung behandelte das FA die Gesellschaft als zur Steuervermeidung eingesetzte Zwischengesellschaft und erließ für die Jahre 2003 bis 2011 geänderte Feststellungsbescheide nach § 18 AStG (Gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen).
Der Antragsteller legte gegen die Bescheide Einspruch ein und begehrte wegen ernstlicher Zweifel an der unionsrechtlichen, abkommens- und verfassungsrechtlichen Ausgestaltung der Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7ff. AStG sowie wegen unbilliger Härte Aussetzung der Vollziehung. Die Maklertätigkeit stelle eine echte wirtschaftliche Tätigkeit i. S.d. § 8 Abs. 2 AStG dar. Der Antrag stützte sich auf die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) i.V.m. mit dem Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz sowie auf die in Drittstaatenfällen anwendbare Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV).
Das FA trug vor, die Stand-still-Klausel des Art. 64 Abs. 1 AEUV schließe die Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit aus und beantragte daher die Abweisung des Antrags.
Das FG Baden-Württemberg gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vollumfänglich statt. Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 S. 2 FGO müsse die Vollziehung bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Feststellungsbescheide nach § 18 AStG ausgesetzt werden. Dabei genüge schon die Aussicht auf Zulassung zur Revision. Nach derzeitigem Stand der Rechtsprechung zur Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG im Fall von Drittstaaten seien ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit nicht zu verneinen. Das FG Münster habe in einem vergleichbaren Fall zwar teilweise Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit für zulässig erachtet; auch das FG Münster habe aber die Revision zugelassen, die unterdessen auch eingelegt wurde.
Für die betreffenden Streitjahre stünde daher nicht mit der notwendigen Gewissheit fest, ob die §§ 7 ff. AStG unionsrechtskonform ausgestaltet seien. Nach der gebotenen summarischen Prüfung des beschließenden Senats erscheint nicht zuverlässig vorhersehbar, wie der EuGH die Vereinbarkeit der AStG-Vorschriften zur Hinzurechnungsbesteuerung für die Streitjahre, im Verhältnis zu Drittstaaten generell und insbesondere im Verhältnis zur Schweiz beurteilen wird. Auf die verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers käme es daher nicht mehr an.
Da eine Beschwerde nicht eingelegt wurde, wird eine Auseinandersetzung des BFH mit den vorgenannten Fragen im Revisionsverfahren vor dem BFH erfolgen.
Der Fall gibt jedenfalls Anlass, bei Fragen der Unionsrechts- und Verfassungskonformität der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung genauestens hinzuschauen und vor dem Hintergrund der Erwägungen des FG Baden-Württemberg die Erfolgsaussichten eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung zu prüfen.
Jahresstatistik Zoll 2015 – aktuelle bedeutsame Entwicklungen für 2016
/0 Kommentare/in Steuerstrafrecht, Wirtschaftsstrafrecht, Zollstrafrecht /von siliconplanetJahresstatistik Zoll 2015 – aktuelle bedeutsame Entwicklungen für 2016
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat am 11. April 2016 die Statistik der Zollverwaltung für das Jahr 2015 veröffentlicht. Erstmalig kontrollierten Zöllner der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) auch regelmäßig die Einhaltung der Vorschriften nach dem seit 1. Januar 2015 geltenden Mindestlohngesetz (MiLoG) im Rahmen von bundesweit insgesamt rund 400.000 Prüfungen. Laut der Pressemitteilung des BMF „ist zu berücksichtigen, dass neu in die Prüfungen einbezogene Branchen zunächst für die Neuregelungen sensibilisiert wurden, ohne Verstöße unmittelbar zu ahnden.“ Mit anderen Worten wurden – wie nicht selten nach Gesetzes- oder Rechtsprechungsänderungen – die betreffenden Branchen mit „Warnschüssen“ vorbereitet. Die meisten Unternehmer dürften wegen der Branchenvorgaben des Arbeitnehmerentsendegesetzes (AEntG) und dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) bereits mit entsprechenden Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten vertraut sein. Dennoch ist 2016 zu besonderer Sorgfalt bei der Erfüllung von Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten zu raten, insbesondere in den Wirtschaftsbereichen, für die ein Mindestlohn erstmalig gilt. Dies sind etwa Einzelhandel, Hotel- und Gaststättengewerbe, Kurierfahrer, Bäcker und Werbezusteller. Es ist davon auszugehen, dass im Jahr 2017 Prüfungen gezielter vorgenommen und die Ahdnungsschwelle geringer angesetzt wird.
…und immer wieder Cum-Ex
/0 Kommentare/in Steuerstrafrecht /von siliconplanetDas Auskunftsverlangen der BaFin an deutsche Banken zu Trades um den Dividendenstichtag hat den Druck auf die unter Generalverdacht geratenen Geldhäuser zur Aufklärung von Cum-Ex-Sachverhalten nochmals erhöht. Denn die BaFin ist verpflichtet, die Daten den Staatsanwaltschaften zur Verfügung zu stellen. Ob sich die Erwartung, dass unberechtigte Steueransprüche in großem Umfang geltend gemacht worden sind, erfüllt, wird auch davon abhängen, ob die Banken noch zur Aufklärung der teils über fünf Jahre zurückliegenden Sachverhalte in der Lage sind. Die Geldhäuser sind gut beraten, die Aufklärung selbst voranzutreiben und zu steuern, um reputationsschädigende strafprozessuale Maßnahmen zu verhindern. Welche Daten den Behörden bekannt sind, ist weitgehend unbekannt. Mit den auf der durch das Land NRW angekauften Daten-CD befindlichen Angaben dürften aber jedenfalls teilweise strafbefreiende Selbstanzeigen wegen Tatentdeckung nicht mehr möglich sein, soweit die jeweilige Gestaltung sich als strafbare Steuerhinterziehung erweist. Als gesichert kann aber in Ansehung der großen medialen Aufmerksamkeit auf die mehrfache Erstattung von Kapitalertragssteuer bei Cum-Ex-Deals gelten, dass auch weiterhin sämtliche behördliche Möglichkeiten zur Aufklärung genutzt werden.