Anwendung der DSGVO im Bereich der Steuerverwaltung – Ein wegweisendes BFH-Urteil
Einleitung
Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. März 2024 hat weitreichende Auswirkungen auf die Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Bereich der Steuerverwaltung. In diesem Urteil wurden die Voraussetzungen und die Reichweite des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO gegenüber Finanzbehörden klargestellt. Dieser Blogbeitrag beleuchtet die wesentlichen Punkte des Urteils und deren Bedeutung für die Praxis.
Hintergrund des Urteils
Mit der Einführung der DSGVO im Mai 2018 wurden neue Maßstäbe für den Schutz personenbezogener Daten gesetzt. Seither sind auch Finanzämter vermehrt mit Auskunftsansprüchen nach Art. 15 DSGVO konfrontiert. Das vorliegende Urteil des BFH schafft erstmals auf höchstrichterlicher Ebene Klarheit über die Anwendbarkeit und den Umfang dieser Ansprüche im Steuerbereich.
Kernpunkte des BFH-Urteils
Anwendbarkeit der DSGVO auf die Steuerverwaltung
Der BFH stellte fest, dass die DSGVO auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Finanzbehörden uneingeschränkt anwendbar ist. Dies gilt unabhängig von der Art der Datenverarbeitung (automatisiert oder manuell) und der Art der gespeicherten Dokumente (Papierform oder elektronisch). Entscheidend ist, dass die personenbezogenen Daten in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.
Kein Ausschluss durch Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO
Die Ausnahme des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO, die Tätigkeiten außerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts betrifft (z.B. nationale Sicherheit), findet auf die Steuerverwaltung keine Anwendung. Somit fallen auch nicht harmonisierte Steuern unter die DSGVO.
Reichweite des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO
Der BFH klärte, dass Art. 15 Abs. 3 DSGVO keinen eigenständigen Anspruch auf die Zurverfügungstellung von Dokumenten begründet, sondern lediglich einen Anspruch auf eine Kopie der verarbeiteten personenbezogenen Daten. Nur wenn eine Kopie von Dokumenten unerlässlich ist, um die Rechte der betroffenen Person nach der DSGVO wirksam ausüben zu können, besteht ein solcher Anspruch.
Beschränkungen des Auskunftsanspruchs
Der Anspruch auf Auskunft kann eingeschränkt werden, wenn der Verantwortliche nachweisen kann, dass der Antrag offenkundig unbegründet oder exzessiv ist. In solchen Fällen kann ein angemessenes Entgelt verlangt oder die Auskunft verweigert werden. Dies muss jedoch vom Verantwortlichen dargelegt werden.
Praktische Auswirkungen
Dieses Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der Steuerverwaltung:
– Erhöhte Transparenz: Steuerpflichtige können nun umfassender über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten durch Finanzbehörden informiert werden.
– Verwaltungsaufwand: Finanzbehörden müssen sich auf eine steigende Zahl von Auskunftsanträgen einstellen und entsprechende Prozesse zur Erfüllung der DSGVO- Vorgaben implementieren.
– Rechtssicherheit: Die Klarstellungen des BFH schaffen Rechtssicherheit sowohl für Steuerpflichtige als auch für Finanzbehörden bezüglich der Handhabung von Auskunftsansprüchen.
Fazit
Das BFH-Urteil vom 12. März 2024 markiert einen wichtigen Schritt hin zu mehr Datenschutz und Transparenz im Bereich der Steuerverwaltung. Es zeigt, dass die DSGVO auch in nicht harmonisierten Rechtsbereichen volle Anwendung findet und damit ein einheitliches Datenschutzniveau gewährleistet wird. Für Steuerpflichtige bedeutet dies erweiterte Rechte auf Auskunft über ihre personenbezogenen Daten, während Finanzbehörden sich auf einen erhöhten administrativen Aufwand einstellen müssen.
Quellenangaben
– BFH, Urt. v. 12.3.2024 – IX R 35/21, DStR 2024, 1420
– EuGH, Urt. v. 24.2.2022 – C-175/20, Valsts ieņēmumu dienests (Traitement des données
personnelles à des fins fiscales), EU:C:2022:124
– EuGH, Urt. v. 26.10.2023 – C-307/22, FT (Copies du dossier médical), EU:C:2023:811