Wann können sich Steuerberaterinnen und Steuerberater anlässlich ihrer Berufsausübung strafbar machen?
Die Abgrenzung zwischen straffreier Berufsausübung und strafrechtlich relevanter Beihilfe wird juristisch viel diskutiert. Ab wann soll ein eigentlich sozialadäquates Handeln der Strafbarkeit unterliegen? Wie schutzwürdig sind Berufsträger*innen, die Kenntnis von kriminellen Plänen ihrer Mandant*innen haben und diesen dennoch ihre beruflichen Leistungen zukommen lassen?
Ein aktueller Beschluss des BGH (BGH Beschluss v. 17.6. 2021 – 1 StR 132/21) gibt Anlass, sich eingehend mit der Frage auseinanderzusetzen, ab wann sich Steuerberaterinnen und Steuerberater der Beihilfe zur Steuerhinterziehung gemäß § 27 Abs. 1 StGB, § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO strafbar machen.
Die Meinungen in der Literatur hierzu sind vielfältig, sie reichen von subjektiven über objektive zu gemischt objektiv-subjektiven Kriterien.
Die objektiven Maßstäbe orientieren sich überwiegend an der professionellen Adäquanz des Handelns und verlangen für eine Strafbarkeit zum Beispiel einen Verstoß gegen die Berufsordnung. Wenn ein solcher vorliegt oder das Handeln außerhalb des rechtlich gebilligten Risikos liegt, soll es eine strafbare Beihilfehandlung darstellen. Die Kritik an lediglich objektiven Kriterien ist klar: Was ist mit den Fällen, in denen eine beruflich neutrale Handlung eine Straftat fördert und der Handelnde davon weiß? Ein Beispiel hierfür ist der gewerbliche Verkauf von (Schuss-)Waffen: Wenn der Händler erkennt, dass der Erwerber damit eine Straftat begehen wird. Dies verstößt nicht gegen berufliche Vorschriften, wenn er dabei den gewöhnlichen Arbeitsablauf beibehält. Aber ist es noch ein rechtlich erlaubtes berufstypisches Risiko? Eine Frage, auf die es viele Antworten und Meinungen geben kann, die aber kein handliches Kriterium für die Grenzen der Strafbarkeit darstellt.
Rein subjektive Maßstäbe orientieren sich an der inneren Haltung des Gehilfen gegenüber der Haupttat. Inwiefern wusste der Beihelfende davon und wollte er sie fördern? Wenn sie nur für möglich gehalten wird (dolus eventualis), soll demnach keine Strafbarkeit eintreten.
Ein Ansatz, der sich nur schwer umsetzen lässt: Wenn allein die Gesinnung des Gehilfen für seine Strafbarkeit verantwortlich ist, so kann dieser sich jederzeit hinter seinem beruflichen Handeln verstecken und darauf bestehen, dass er lediglich seiner Pflicht nachgekommen sei und das Risiko der Haupttat nicht erkannt habe.
Aus diesem Grund scheint auch der Rechtsprechung eine gemischt subjektiv-objektive Abgrenzung vorzugswürdig.
Der BGH hat diese innerhalb des Steuerstrafrechts das erste Mal in einem Urteil aus dem Jahr 2000 (BGH, Urteil v. 1.8.2000 – 5 StR 624/99 (LG Wuppertal)) vorgenommen. Darin bekräftigt der BGH, dass berufstypische Handlungen, auch professionell adäquate, nicht generell straflos sind. Vielmehr stellt er zur Bewertung der Strafbarkeit auf Grundsätze ab, die auf der subjektiven Tatseite liegen, aber durch objektive Kriterien unterstützt werden.
Wenn ein Gehilfe weiß, dass das Handeln des Haupttäters ausschließlich auf eine strafbare Handlung abzielt, so verlässt sein Tatbeitrag die Straflosigkeit und ist keine rechtlich neutrale Berufsausübung mehr. Eine innere Haltung zu der Haupttat, ein Wollen, wird nicht verlangt, lediglich auf das Wissen des Gehilfen kommt es an. Kompliziert wird es, wenn keine klare Kenntnis über die Haupttat vorliegt. Wenn diese lediglich für möglich gehalten wird, dem Helfenden aber nicht als die wahrscheinlichste Handlungsalternative erscheint, soll eine Strafbarkeit ausscheiden. In diesem Fall hat der Schutz des Berufsalltags Vorrang gegenüber dem Risiko einer Straftat. Wenn der Gehilfe das Risiko aber erkannt hat und die strafbare Haupttat für sehr wahrscheinlich hält, wendet der BGH die Figur des angelegen sein lassens an. So ist dann eine Solidarisierung mit dem Täter anzunehmen und eine Strafbarkeit zu bejahen, wenn die Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters darstellt, der Gehilfe sich die Haupttat damit also angelegen sein lässt.
Damit löst der BGH für sich das Dilemma, dass manche Straftaten (nur) unter Mithilfe von gewissen Berufsgruppen begangen werden können, Vertreter*innen dieser Berufsgruppen aber nicht andauernd befürchten sollen, sich an einer strafbaren Handlung zu beteiligen.
Das angelegen sein lassen eröffnet der Rechtsprechung einen Raum, um im Einzelfall auch bei fehlender sicherer Kenntnis des Gehilfen zu einer Strafbarkeit zu kommen und die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Straftat ohne ihre Hilfe nicht hätte begangen werden können.
Für Steuerberaterinnen und Steuerberater führt dies zu einer gewissen Sorgfaltspflicht.
Wenn es sehr wahrscheinlich erscheint, dass ein*e Mandant*in eine Steuerstraftat begehen will und dafür auch die Steuerberatung in Anspruch genommen werden soll, kann diese sich bei Tätigwerden der Beihilfe strafbar machen. Wenn also Tatsachen die Vermutung verhärten, dass Mandant*innen sich zur Vollendung einer strafbaren Handlung des Berufträgers bedienen, sollte ermittelt werden, wie hoch das Risiko erscheint. Wenn das Ziel der angefragten Dienstleistung höchstwahrscheinlich strafbar ist, so sollten Steuerberater*innen von ihr absehen. Wie stark die Vermutung ausgeprägt sein muss, damit die Grenze zur Strafbarkeit überschritten wird, ist nicht abschließend zu beantworten.
Im oben erwähnten Beschluss des BGH verneinte dieser ein angelegen sein lassen auch nachdem die Steuerberatung aufgrund eines Verdachtes gegen einen Mandanten durchsucht wurde und der Steuerberater im vorgelegten Durchsuchungsbeschluss einsehen konnte, was seinem Mandanten vorgeworfen wurde. Das Landgericht sah hier das Risiko, dass auch die Steuerberatung in den Steuerbetrug eingebunden werden sollte, als so erkennbar hoch an, dass das weitere Tätigwerden für den Mandanten eine Beihilfe darstelle. Dies lehnte der BGH ab. Es sei nicht ausreichend belegt, dass der Steuerberater nach der Durchsuchung bösgläubig war, da weitere Hinweise, wie ein Führungswechsel innerhalb der Mandatsfirma, gegen ein Fortführen des Steuerbetrugs sprechen würden. Letztendlich lässt die Rechtsprechung hier aber einen Raum für Abwägungen im Einzelfall, der zu einer gewissen Rechtsunsicherheit führt.
Praxishinweis:
Steuerberater*innen sollten bei Verdacht gegen Mandant*innen immer eine Gesamtschau der verdachtserhärtenden Umstände vornehmen. Sobald Mandant*innen erkennbar tatgeneigt sind und dies als die wahrscheinlichste Möglichkeit zu bewerten ist, muss von der tatfördernden Handlung abgesehen werden.
Michael Olfen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Steuerrecht, ist Gründungspartner der Kanzlei Olfen Meinecke Völger Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB
Lotta Ann Olfen ist studentische Hilfskraft der Kanzlei Olfen Meinecke Völger