EGMR erklärt die Nutzung von durch Behörden angekauften Steuerdaten für zulässig
Am 6. Oktober 2016 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Zulässigkeit der Nutzung von auf angekauften Steuer-CDs befindlichen Daten entschieden (33696/11). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte mit Entscheidung vom 9. Oktober 2010 (2 BvR 2101/09) – mithin sechs Jahre zuvor – ebenfalls in einer viel beachteten Entscheidung die Nutzung der Daten für zulässig erklärt. Da die Zeit der Steuer-CDs bzw. Datensticks mit dem zu Beginn des Jahres 2017 beginnenden automatischen internationalen Datenaustausch der Finanzbehörden vorübergehen wird, wirft die Entscheidung keine Schatten voraus, aber einen dunklen Schatten zurück.
Hintergrund des Falls ist der Ankauf einer Steuer-CD durch den Bundesnachrichtendienst (BND) im Jahre 2006. Die Steuer-CD enthielt Daten von ca. 800 Kunden einer Liechtensteiner Bank, zu denen auch die Daten des Ehepaares S. gehörten. Auf Grundlage der Daten wurde eine Durchsuchung in der Privatwohnung der Eheleute durchgeführt, die zu Sicherstellung bzw. Beschlagnahme von Bankunterlagen und Computerdaten führte.
Die nach Ausschöpfung des Instanzenzuges gegen den Durchsuchungsbeschluss eingelegte Verfassungsbeschwerde, mit der die Beschwerdeführer die Verletzung ihrer Rechte auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 25 GG), die Verletzung von Art. 13 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und der Rechtsschutzgarantie und die Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG gerügt hatten, war erfolglos geblieben.
Auch der EGMR kommt nun in der Kernfrage, ob grundrechtsintensive Ermittlungshandlungen einzig aufgrund von Anhaltspunkten aus rechtswidrig durch Behörden erlangte Datensätzen zulässig sind, zu einem positivem Ergebnis. Der Eingriff in das Recht auf Achtung der Privat- und Familiensphäre aus Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sei in dem entschiedenen Fall „necessary“, also insbesondere verhältnismäßig gewesen. Dabei würdigt der EGMR vor allem die Schwere der den Eheleuten zur Last gelegten Tat – Steuerhinterziehung i.H.v. etwa 100.000,– EUR sei ein schweres Vergehen, Beeinträchtigungen der Reputation seien durch die Maßnahmen aber etwa nicht entstanden. Der Durchsuchungsbeschluss sei des Weiteren hinreichend konkret gewesen, auf eine systematische rechtswidrige Vorgehensweise der Behörden weise indes nichts hin.
Wichtige Erwägungen treten erst aus der abweichenden Meinung des Richters Vehabovic hervor: Bei der Entscheidung sei u. a. nicht hinreichend gewürdigt worden, dass es in Deutschland gerade keine „Fruit of the Poisenous Tree“-Doktrin gebe, in den vielen Staaten rechtswidrig erwordene Beweismittel – auch dann wenn sie die einzigen Anhaltspunkte für Straftaten sind – vom Beweismaterial ausgeschlossen werden müssen.