Die Italmoda-Entscheidung des EuGH – steuerliche und strafrechtliche Risiken für Unternehmer
Mit Urteil vom 18. Dezember 2014 hat der EuGH darauf erkannt, einem Unternehmer bei einer innergemeinschaftlichen Leistung auch dann die Steuerfreiheit zu versagen, wenn er selbst gar nicht wusste, in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden zu sein. Es reiche schon aus, wenn der Unternehmer vom Umsatzsteuerkarussell aufgrund objektiver Anhaltspunkte „wissen musste“, um ihm jeglichen Vertrauensschutz abzusprechen.
Da der Erwerb der Waren umsatzsteuerpflichtig bleiben soll, wird der Unternehmer zweimal zur Kasse gebeten. Unter Berücksichtigung der durch § 25d Abs. 1 UStG vorgegebenen deutschen Rechtslage haftet der Unternehmer sogar ein drittes Mal, nämlich für die Steuerschuld aus vorangegangenem Umsatz. Mit dem Grundsatz der Steuerneutralität ist eine solche Strafsteuer nicht zu vereinbaren. Des Weiteren wird das Bestimmungslandprinzip verletzt, indem der Umsatz (mehrfach) im Ausland versteuert wird.
Die Finanzgerichte haben im Nachgang der Italmoda-Entscheidung verlangt, dass der Unternehmer etwa bei fehlender Nachvollziehbarkeit des Internetauftritts, wenn der Geschäftspartner nur in Begleitung auftritt oder noch keine längere Geschäftsbeziehung besteht, dazu verpflichtet sein kann, persönlich Nachforschungen anzustellen (etwa FG Hamburg, Urteil vom 05.02.2015 – 3 K 46/14). Selbst wenn alle formalen Voraussetzungen der Steuerbefreiung vorliegen (vollständige Beleg- und Buchnachweise), kann diese mit den beschriebenen katastrophalen Folgen für redliche Unternehmer versagt werden.
Es besteht die Befürchtung, dass subjektiver Vorsatz und objektive Erkennbarkeit der Einbindung in ein Steuerkarussell verschliffen werden. Hierzu trägt u. a. auch die Prüfpunkte enthaltende sog. „Berliner Liste“ bei, die Finanzämter an Unternehmer vergeben. Wer den Empfang der Liste bestätigt, soll sich später nicht auf Unkenntnis der Einbindung in ein Umsetzsteuerkarussell berufen können. Sich einer leichtfertigen Steuerhinterziehung (§ 378 AO) auf Grundlage der neuen EuGH-Rechtsprechung zu entziehen, wenn sich im Nachhinein die Einbindung in ein Steuerkarussell ergibt, erscheint kaum möglich.
Mit seiner Entscheidung hat der EuGH die Risiken für den Handel unangemessen erhöht und die ohnehin stark fortgeschrittene Entwicklung des internationalen Steuerstrafrechts vorbei an Grundfesten des deutschen Umsatzsteuerrechts weiterentwickelt. Über das, was ein Unternehmer „wissen muss“, herrscht nicht nur im Handel, sondern auch bei den Finanzgerichten noch erhebliche Unsicherheit.